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Wie der Schutz von Wäldern mittels KI Früchte tragen soll

Klimawandel, Verlust von Expertenwissen und steigende Anforderungen von Stakeholdern: Die Forstwirtschaft steht aktuell vor großen Herausforderungen. Forschende des KIT und die EDI GmbH entwickeln im Projekt EDE 4.0 eine intelligente Anwendung, die Revierförsterinnen und -förster dabei unterstützen soll, richtige und wichtige Entscheidungen bei der Einschlagsplanung im heimischen Forst zu treffen.

Im 2020 gestarteten Projekt EDE 4.0 vom KIT und der EDI GmbH entsteht ein intelligentes Assistenzsystem für das Forstmanagement. (Bild: metamorworks / Shutterstock)
Das 2020 gestartete Projekt EDE 4.0 vom KIT und der EDI GmbH ist ein intelligentes Assistenzsystem für das Forstmanagement. (Bild: metamorworks / Shutterstock)

2022 zeigte sich als ein Jahr der Extreme: Rekordträchtige Hitzewellen und Dürren bestimmten das Klima in weiten Teilen Europas. Folgen solcher Klimaextreme sind erhöhte Trockenheit bis hin zur Waldbrandgefahr. Wie real dieses Szenario ist, zeigten die verheerenden Waldbrände in Sachsen und Brandenburg im Sommer des Jahres. Die Auswirkungen des Klimawandels sind in den deutschen Wäldern bereits heutzutage deutlich sichtbar und werden für das Waldmanagement auch in Zukunft ein Faktor sein, bei dem es gilt, sich dynamisch an die kontinuierlich verändernden Gegebenheiten anzupassen. Forschende vom Süddeutschen Klimabüro am KIT und dem Institut für Geographie und Geoökologie (IfGG) arbeiten gemeinsam mit einem Spin-Off des KIT, der EDI GmbH - Engineering Data Intelligence, an einer Anwendung, die das Forstmanagement bei der Aufgabe, den Erhalt und die nachhaltige Bewirtschaftung der deutschen Wälder gewährleisten zu können, mittel- bis langfristig unterstützen soll.

Ein anspruchsvolles Projekt für anspruchsvolle Zeiten

Das gemeinsame Projekt EDE 4.0 (kurz: Erweiterte Dynamische Einschlagsplanung), das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert wird, trifft einen wunden Punkt im Forstmanagement. Denn die Forstwirtschaft kämpft bereits seit einigen Jahren, neben den gravierenden Auswirkungen des Klimawandels, zunehmend auch mit Herausforderungen im alltäglichen Betrieb. Diese reichen von wachsenden Revieren pro Kopf über steigende Renteneintritte bis zu sich kontrastierenden Anforderungen, die Stakeholder wie Investoren, Bürgerinnen und Bürger oder Klimaaktivisten an die Wälder und deren Management stellen. All dies gilt es für Forstbeschäftigte bei Entscheidungsprozessen zu berücksichtigen. „Bekommen Revierförsterinnen und -förster, wie aktuell zunehmend üblich, zusätzliche Areale zugewiesen oder sind neu in ihrem Beruf, müssen sie dennoch schnell Entscheidungen für ihr Revier treffen können. Hier kann unsere Anwendung helfen, einen Überblick zu geben“, erklärt Dr.-Ing. Thomas Freudenmann, CEO der EDI GmbH.

Die cloudbasierte Anwendung, entwickelt mit dem EDI hive IoT Framework, unterstützt das Forstmanagement durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und formalisiertem Expertenwissen bei der Entscheidung, wo geerntet oder wann neu gepflanzt werden soll, inklusive der Erfolgsaussichten einer Pflanzung an einem definierten Standort. Dabei liefert das intelligente Assistenzsystem Forstbeschäftigten individuelle, datenbasierte Risikoabschätzungen der aktuellen Lage sowie editierbare, alternative Szenarien – bei Bedarf auch direkt im Feld. Das System greift dazu unter anderem auf die Expertise des Süddeutschen Klimabüros, die Klimaprognosen aus dem BMBF-Projekt MiKlip für mehrere Monate und Jahre im Voraus auswerten, sowie auf forstwirtschaftliches Wissen vom IfGG, wie Baumwachstumsraten, zurück. Das Expertenwissen der Forstbeschäftigten fließt ebenfalls ein. Dr. Hans Schipper, Leiter des Süddeutschen Klimabüros am KIT, erläutert: „Unser System im Projekt ist grundsätzlich modular aufgebaut: Der Vorteil daran ist die Flexibilität, jederzeit nach Bedarf weitere Module hinzuzufügen, Bestehendes zu verändern oder die Komplexität steigern zu können“. Der Algorithmus verarbeitet schließlich alle eingespeisten Informationen. Er wandelt die Informationen in bekannte Leistungsindikatoren um, sodass in der Applikation visuell einfache und intuitive Entscheidungsempfehlungen für Maßnahmen in den definierten Arealen gegeben werden können. Im Fokus stehen dabei Transparenz und Übersichtlichkeit, wie Dr. Ana Cordeiro Pires vom Süddeutschen Klimabüro betont: „Wir reden hierbei nicht über Angaben wie konkrete Temperaturwerte oder Regenmengen, sondern, ob es wärmer oder kälter wird und wie wahrscheinlich bestimmte Ereignisse sind. Mit diesen Informationen im Hinterkopf können Beschäftigte der Forstwirtschaft besser entscheiden, ob sie ein Risiko eingehen wollen“. Die Projektbeteiligten möchten auf diesem Weg sicherstellen, dass Nutzerinnen und Nutzer jederzeit gezielte Empfehlungen erhalten, ohne durch die Informationsmenge oder den Detailgrad überfordert zu werden.

Mit dem Endnutzer, für den Endnutzer

Doch wie kann das interdisziplinäre Team am effektivsten bestimmen, welche Arten von Informationen in der Anwendung für die Einschlagsplanung benötigt werden? Um Fragen wie diese zu beantworten, veranstalten die Forschenden regelmäßige Workshops mit den Revierförsterinnen und -förstern. Durch die Workshops erhält das Team einerseits wertvolles Feedback zum Inhalt, anderseits werden auch Benutzeroberfläche und Nutzerfreundlichkeit kontinuierlich diskutiert und verbessert. Diese enge Zusammenarbeit bildet das Herzstück des Projektes, erläutert Freudenmann: „Unsere Workshops helfen uns dabei, das Fachwissen der Beteiligten einzufangen und zu formalisieren. Wir liefern die Leistungsindikatoren und die Forstbeschäftigten nennen uns die Werte, die für sie wirklich relevant sind“. Er betont, dass die Anwendung nur dann operativ eingesetzt werden kann, wenn Vertrauen und Transparenz in das Modell zwischen Entwicklung und Endnutzung besteht. „Wir versuchen, das Bauchgefühl unserer Expertinnen und Experten zu quantifizieren. Das Beste, was uns dabei passieren kann, ist, dass sie intuitiv eine ähnliche Entscheidung getroffen hätten und durch unsere Anwendung bestätigt werden. Denn dann ist diese Entscheidung quantifiziert und nachvollziehbar erfasst“.

Um die Anwendung möglichst praxisnah zu entwickeln, setzt das Projektteam auf interaktive Workshops mit den Forstbeschäftigten. (Bild: Thomas Freudenmann / EDI GmbH)

Quo vadis, EDE 4.0?

Das im Jahr 2020 initiierte Projekt läuft noch bis Sommer 2023. Das Team rund um KIT und EDI GmbH ist aktuell bereits in weiterführenden Gesprächen mit dem Projektträger, der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR). Gemeinsam mit den assoziierten Partnern, die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA), die Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg (HFR), die Stadt Karlsruhe und das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR), hofft das Team auf eine Fortsetzung sowie mögliche Erweiterung des Projektes. Bis zum offiziellen Projektabschluss im Juli arbeiten die Forschenden und die EDI GmbH daran, den Prototypen weiterzuentwickeln und die Anwendung für Försterinnen und Förster auf dem Handy, Tablet und PC zur Verfügung zu stellen. Ob die Bemühungen des Projektes letztlich Früchte tragen werden, wird sich in einigen Jahren bis Jahrzehnten zeigen.

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Bilder v.o.n.u: metamorworks / Shutterstock Thomas Freudenmann / EDI GmbH

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