Research to Business

Tradition trifft Hightech im 3D-Freiformen

Im ARBURG Innovation Center am KIT erforschen die Wissenschaftler des wbk Instituts für Produktionstechnik gemeinsam mit der ARBURG GmbH + Co KG neue Technologien zur additiven Fertigung von faserverstärkten Verbundwerkstoffen für individuelle Kleinserien im Leichtbau.

Im ARBURG Innovation Center am KIT – Prof. Dr. Jürgen Fleischer (Institutsleiter des wbk), Martin Neff (Abteilungsleiter Kunststoff-Freiformen bei ARBURG) sowie die Wissenschaftler der Arbeitsgruppe Leichtbaufertigung des wbk Florian Baumann, Sven Coutandin (Gruppenleiter Leichtbaufertigung) und Jörg Dittus (v.l.n.r.). (Bild: Patrick Langer / KIT)

Eine produktive Zusammenarbeit zwischen ARBURG und dem wbk Institut für Produktionstechnik am KIT, unter der Leitung von Prof. Dr. Jürgen Fleischer, besteht bereits seit über 20 Jahren. „Wir haben immer wieder gemeinsame Projekte im Polymer Engineering realisiert und irgendwann kam die Idee eines Innovation Centers auf, um die Zusammenarbeit sowie den Austausch zu verstärken und sichtbarer zu machen“, verrät Prof. Fleischer. Deshalb wurde 2016 das ARBURG Innovation Center (AIC) im Institut am Campus Süd des KIT als physische Präsenz eröffnet. Im AIC stehen mehrere ARBURG-Maschinen für das Spritzgießen und für die additive Fertigung sowie ein Roboterarm zur Verkettung verschiedener Fertigungsschritte. „Die Hightech-Maschinen von ARBURG vor Ort bieten hervorragende technologische Möglichkeiten und anwendungsnahe Forschungsaufgaben für die Wissenschaftler am KIT“, betont der Institutsleiter Prof. Fleischer.

Partnerschaftliche Innovationstreiber

Das deutsche Maschinenbauunternehmen ARBURG gehört weltweit zu den führenden Herstellern von Maschinen für die Kunststoffverarbeitung. „Es ist für uns als mittelständisches Familienunternehmen nicht nur wichtig, die heutigen Bedürfnisse der Anwender zu erfüllen, sondern auch schon die von morgen im Blick zu haben“, unterstreicht Martin Neff, Abteilungsleiter für Kunststoff-Freiformen bei der ARBURG GmbH + Co KG. „Gemeinsam mit Forschungseinrichtungen, wie dem KIT, können wir Zukunftsthemen vorantreiben und Know-how generieren, das uns langfristig weiterbringt.“ Genau mit solchen Trends der Kunststoffverarbeitung beschäftigt sich die Arbeitsgruppe Leichtbaufertigung am wbk, die anforderungsgerechte Produktionstechnologien für neu entwickelte Materialen, Prozesse und Konstruktionsweisen mit einem hohen Leichtbaupotenzial entwickelt.

Anstatt temporärer Projektarbeiten ist das AIC eine strategische Kooperationsform, um Themen mit längerer Reichweite beispielsweise im Rahmen von Promotionen anzugehen. „Die Zusammenarbeit im AIC spannt den Bogen vom wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn bis zur Erreichung der Marktfähigkeit neuer Technologien. Dabei kooperieren wir auf Augenhöhe“, sind sich beide Kooperationspartner einig. Im Rahmen des AIC haben die Forscher mit Unterstützung der ARBURG-Experten aktuell ein additives Verfahren für Faserverbundwerkstoffe auf Basis des freeformers und des ARBURG Kunststoff-Freiformens (AKF) realisiert, sozusagen den 3D-Druck für faserverstärkte Kunststoffbauteile.

Auf Basis des freeformers von ARBURG wurde die additive Fertigung von faserverstärkten Kunststoffbauteilen realisiert. Die entwickelte Fadenzuführung rotiert rund um die Kunststoffaustragsdüse. Der plastifizierte Kunststoff wird auf die unterhalb der Austragsdüse positionierte Faser ausgetragen und implementiert diese so direkt in das Bauteil. (Bild: Patrick Langer / KIT)

3D-Freiformen mit Endlosfasern

„Um im Vergleich zu Metallbauteilen eine vergleichbar hohe gewichtsspezifische Festigkeit und Performance mit Kunststoffen zu erhalten, setzt der Leichtbau größtenteils auf Faserverbundwerkstoffe, die bisher jedoch noch mit hohem Aufwand hergestellt werden“, erklärt der Maschinenbauer Florian Baumann, der als Doktorand am wbk im Bereich Leichtbau forscht. Bei Faserverbundmaterialien wird Kunststoff als bettende Matrix verwendet und verstärkende Fasern integriert, um die Stabilität und Festigkeit im Bauteil durch gegenseitige Wechselwirkungen der beiden Komponenten zu erhöhen. „Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, die additive Fertigung von freigeformten, detailreichen Kunststoffstrukturen mit einer sinnvollen Faserverteilung zu ermöglichen“, blickt Sven Coutandin, der die Gruppe Leichtbaufertigung leitet, zurück.

Ein Prototyp am Institut beweist eindrücklich die Machbarkeit von qualitativ hochwertigen, additiv gefertigten Faserverbundbauteilen. „Gerade läuft die Validierungsphase des Prototyps. Was am Institut im Versuchsaufbau funktioniert, braucht jedoch noch weitere Entwicklungsarbeit bis zur Serienfertigung, um die nötige Prozesssicherheit zu gewährleisten“, sagt Prof. Fleischer. Dieser Aufgabe ist sich ARBURG bewusst: „Wir haben im Projektverlauf unser Know-how als Maschinenbauer und die Sichtweise aus dem Markt mit eingebracht. Es ist unser Bestreben, die vielversprechenden Ergebnisse in die Weiterentwicklung des AKF-Verfahrens für faserverstärkte Kunststoffe einfließen zu lassen“, so Neff.

Im Unterschied zur gängigen Fertigung von Faserverbundwerkstoffen, bei der vollflächige Halbzeuge, wie Gewebe und Gelege aus den verstärkenden Fasern, in den Kunststoff eingebracht werden, ermöglicht das Verfahren des wbk die automatisierte, bedarfsgerechte Faserverteilung und Ausrichtung von einzelnen Faserbündeln, Rovings genannt, oder Fasergarnen während des Druckens. Diese Form der Faserverarbeitung ist materialsparender. Eine eigens entwickelte Faserzufuhreinheit rotiert beim Druck rund um die Kunststoffaustragsdüse und platziert die Fasern so, dass diese während des Kunststoffaustrags direkt durch den ausgetragenen Kunststoff in das Bauteil implementiert werden. Baumann konkretisiert: „Aktuell können Faserverbundwerkstoffe aus herkömmlichem ABS-Granulat (Acrylnitril-Butadien-Styrol) mit Endlosglasfasern am Institut additiv gefertigt werden. Die Schwierigkeit bestand darin, die Endlosfaser so zu steuern, abzuschneiden und wieder neu zu implementieren, dass der Druck von komplexen, abgerundeten Formen und auch die lokal begrenzte Faserverstärkung von Teilbereichen realisiert werden kann.“

Das Funktionsprinzip des ARBURG Kunststoff-Freiformens: Beim Abkühlen verbinden sich die ausgetragenen Kunststofftropfen mit dem bereits erstarrten Material, sodass beliebige dreidimensionale Kunststoffbauteile Schicht für Schicht aufgebaut werden können. (Bild: ARBURG GmbH + Co KG)

Bewährte Technologien in neuem Gewand

Während das klassische Spritzgießen das Marktbedürfnis nach der wirtschaftlichen Fertigung von großen Stückzahlen bedient, ist die additive Fertigung das Verfahren der Wahl, wenn es um die effiziente Produktion von kleinen Stückzahlen geht. Das am KIT entwickelte Verfahren zum Einbringen von Endlosfasern beim ARBURG Kunststoff-Freiformen zur Herstellung faserverstärkter Verbundbauteile profitiert von den Vorzügen beider Fertigungsansätze: Flexibilität und Kosteneffizienz bei der Materialauswahl vom Spritzgießen kombiniert mit wirtschaftlicher und qualitativ hochwertiger Herstellung von Kleinserien durch die additive Fertigung mit dem freeformer.

„Beim herkömmlichen Spritzgießen wird Kunststoffgranulat geschmolzen und anschließend in eine geschlossene Negativform eingespritzt, um unter Druck ein hochwertiges thermoplastisches Bauteil zu formen“, erklärt der Kunststoffexperte Neff. Aufgrund der Technologiereife und der Anwendungsbreite stehen zahlreiche Kunststoffe und Spezialkunststoffe, etwa für die Medizintechnik, als Standardgranulat bereit. Die aus dem Spritzgießen erprobte Materialaufbereitung bzw. Plastifizierung unterschiedlichster Kunststoffgranulate ist ebenfalls Herzstück des freeformers, den ARBURG 2014 auf den Markt brachte, um eine hohe Produkteffizienz für Kleinserien zu ermöglichen.

Hierbei macht der Materialaustrag den Unterschied zum Spritzgießen: Beim freeformer werden die Kunststoffbauteile, die vorab als 3D-CAD-Daten vorliegen, Schicht für Schicht aus feinsten Kunststofftropfen mithilfe einer speziellen Düse auf einem beweglichen Bauteilträger aufgetragen und so zu 3D-Bauteilen aufgebaut – ähnlich wie beim 3D-Druck. Den Takt der Düse gibt hierbei ein Piezoaktor vor, um den Kunststoff gleichmäßig aufzubringen. Anders als beim traditionellen Spritzgießen kommt der freeformer ganz ohne kostenintensive Spritzgießwerkzeuge aus, wodurch er für die Kleinserien- und Einzelteilfertigung prädestiniert ist. Im Unterschied zu anderen additiven Fertigungstechniken, die meist nur anbieterspezifische Filamente und Pasten verarbeiten können, unterliegt das ARBURG Kunststoff-Freiformen somit weniger Materialeinschränkungen. Der freeformer ermöglicht es auch, Bauteile mit komplexen Strukturen herzustellen, die mit dem traditionellen Spritzgießen nur bedingt möglich wären. „Die gewonnene Flexibilität eröffnet neue Möglichkeiten für die individuelle Fertigung von Leichtbauteilen“, erklärt Prof. Fleischer. „Das neue Verfahren zur additiven Fertigung von Faserverbundbauteilen mit endloser Glasfaserverstärkung ist dabei ein riesen Fortschritt.“

Leidenschaft mit jeder Faser

Der Entwicklungserfolg motiviert die Wissenschaftler wie auch die Branchenexperten von ARBURG dazu, den technologischen Ansatz noch weiter auszubauen. „Unser nächstes Ziel wird etwa sein, den entwickelten Fertigungsansatz für additiv verarbeitbare Faserverbundwerkstoffe für weitere gängige Fasermaterialien, wie Kohlenstoff oder Aramid, zu adaptieren“, gibt der Maschinenbauer Jörg Dittus Ausblick in die weitere Projektarbeit. „Da die Nachfrage nach individualisierten Produkten zukünftig weiter zunehmen wird, bietet die additive Fertigung großes Potenzial. Davon können mittlerweile alle Branchen profitieren, angefangen vom Prototyping im Automotive- und Consumer-Bereich bis hin zur Einzelfertigung in der Medizintechnik“, sagt Prof. Fleischer.

Der Kunststoffexperte Neff zieht ein positives Fazit: „Die Arbeit am Institut ist wertvolle Vorarbeit für die nächsten Generationen der additiven Kunststoffverarbeitung. Wir fokussieren uns gerade auf den Bereich der Faserverbundwerkstoffe, sind jedoch offen für weitere zukunftsweisende Projekte im ARBURG Innovation Center gemeinsam mit dem KIT.“

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Bilder v.o.n.u: Patrick Langer / KIT Patrick Langer / KIT ARBURG GmbH + Co KG

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