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Feuchtigkeitswächter für die Landwirtschaft

Der Bedarf an effizienten Bewässerungstechnologien in der Landwirtschaft nimmt in Hinblick auf eine nachhaltige Nutzung limitierter Wasserressourcen zu. Der aus dem Klimawandel resultierende steigende Bewässerungsbedarf erhöht zusätzlich den Druck. Zur Optimierung der Bewässerung in der Landwirtschaft haben Forschende des KIT zusammen mit der TRUEBNER GmbH einen elektronischen Bodenfeuchtesensor entwickelt, der den pflanzenverfügbaren Wassergehalt erfasst.

Der neuentwickelte Bodenfeuchtesensor soll zukünftig Landwirte und Agrargroßbetriebe bei der bedarfsgerechten und nachhaltigen Bewässerung unterstützen. Das Tensiometer liefert wichtige Daten zum Feuchtigkeitsgehalt in Böden und Substrat. (Bild: Attasit saentep/ Shutterstock)
Als Weiterentwicklung soll neben dem Einzelsensor mit Keramik auch ein Profil-Tensiometer mit mehreren Keramiken angeboten werden. Hier investiert die TRUEBNER GmbH in die weitere Entwicklung. (Bild: TRUEBNER GmbH)

Die Landwirtschaft ist mit einem Anteil von 70 Prozent weltweit der mit Abstand größte Wasserverbraucher. Bodenfeuchtesensoren können zu einem bedarfsgerechteren Umgang mit der knappen Ressource beitragen. Bislang messen einfache Feuchtesensoren allerdings nur, wieviel Wasser im Boden vorhanden ist. Entscheidend für das richtige Wassermanagement ist aber, wieviel Wasser die Pflanzen mit ihren Wurzeln tatsächlich aus dem Boden ziehen können. Diese Aufnahmefähigkeit, unter Fachleuten als Saugspannung bezeichnet, hängt stark von der Bodenzusammensetzung ab. Forschenden des Instituts für Mechanische Verfahrenstechnik und Mechanik (MVM) ist es gemeinsam mit der TRUEBNER GmbH gelungen, einen elektronischen Bodenfeuchtesensor – ein sogenanntes Tensiometer – zu entwickeln, der diese Messgröße beherrscht. Im Rahmen eines Projekts bei KMU-innovativ haben die Entwicklungspartner einen marktreifen Sensor aus einer speziellen porösen Keramikscheibe und einer elektronischen Messeinheit aufgebaut.

 

Wasser marsch mit System

Im Zuge der weltweiten Klimaveränderung wird die effiziente Wassernutzung immer dringlicher. Nur durch optimierte Bewässerungsstrategien unter Zuhilfenahme moderner Überwachungs- und Steuerungsmethoden können die verfügbaren Wasserressourcen nachhaltig genutzt werden. Speziell die Bewässerung im Freiland-Gemüseanbau ist durch einen sich verschärfenden Zielkonflikt zwischen Umweltschutz und Produktion geprägt. Die Wasserverteiltechnik hat inzwischen ein hohes Niveau erreicht, es mangelt jedoch an praxistauglichen Steuerungssystemen mit der dazugehörigen Messtechnik zur Bestimmung des Wasserstatus. Im Kulturanbau, wie etwa Gemüse, Getreide oder Mais, können Landwirtschaftsbetriebe bisher nur unzureichend den Wasserhaushalt messen: Einige kommerzielle Feuchtesensoren detektieren durch Leitfähigkeitsmessungen die Feuchtigkeit des Bodens. Je mehr Feuchtigkeit im Boden enthalten ist, desto besser wird der Strom geleitet. Der Wassergehalt reicht als Messgröße jedoch nicht aus, um Aufschluss über die Saugspannung zu erhalten. Klassische Tensiometer bestimmen die Saugspannung über eine Druckmessung in wassergefüllten Keramikzellen. Diese sind aber sehr wartungsintensiv, frostgefährdet und besitzen nur einen eingeschränkten Messbereich. Um diese Nachteile zu beheben und um genau zu messen, ob die Pflanzen genug Wasser mit ihren Wurzeln aus dem Boden ziehen können, suchte das Unternehmen TRUEBNER nach neuen Lösungen.

Die eingesetzte Keramik des KIT ist besonders porös. Die Scheiben besitzen zahlreiche Hohlräume in unterschiedlichen Größen bei gleichzeitig hoher Robustheit. Damit wird zum einen der Messbereich erweitert und zum anderen die Messgenauigkeit erhöht. (Bild: Institut für Mechanische Verfahrenstechnik und Mechanik / KIT)

Keramische Poren als Analogie

Die passenden Entwicklungspartner fand der Hersteller für Feuchtesensoren am KIT: „Die Grundidee war, die Saugwirkung der Pflanzen anhand einer porösen Keramik nachzuahmen. Steckt der Keramikkörper neben den Pflanzen im Boden, so lässt der Füllgrad der porenförmigen Hohlräume mit Wasser Rückschlüsse auf die Saugspannung des Bodens zu“, erklärt Prof. Dr. Norbert Willenbacher, der sich am MVM auf die Herstellung von porösen Keramiken spezialisiert hat. Die hohe Porosität von Keramikscheiben ermöglicht eine hohe Wasseraufnahme – ähnlich einer Wurzel – und damit eine hohe Messgenauigkeit des Verfahrens. Eine breite Porengrößenverteilung gewährleistet dabei, dass Wasser aus unterschiedlichsten Böden aufgenommen werden kann und das für die Pflanzen verfügbare Wasser praktisch unabhängig von der Bodenzusammensetzung bestimmbar ist. „Wir haben ein spezielles Verfahren erfunden, mit dem grobporige, aber dennoch sehr stabile Keramiken auf Basis von Kapillarsuspensionen hergestellt werden können“, so Willenbacher. Hierbei werden Keramikpartikel in einer Flüssigkeit suspendiert. Durch Zugabe einer kleinen Menge einer nicht mischbaren Flüssigkeit entsteht daraus eine Keramikpaste mit speziellen Eigenschaften, die nach Formgebung, Trocknung und Sintern zu einem porösen festen Material wird, das hohe Porosität und hohe mechanische Festigkeit vereint.

Keramiken aus Kapillarsuspensionen
Grundlage für die Herstellung poröser Keramik ist die Nutzung sog. Kapillarsuspensionen, die aus einer festen und zwei nicht mischbaren flüssigen Materialien bestehen. Gibt man der Suspension aus Feststoff und erster Flüssigkeit eine kleine Menge der zweiten Flüssigkeit hinzu, bildet sich ein stabiles Partikelnetzwerk aus. Dieses Netzwerk wird durch die Kapillarkräfte, die durch die Ausbildung von Flüssigkeitsbrücken an den Kontaktstellen zwischen den Partikeln entstehen, zusammengehalten. Mit dieser Strukturbildung geht die Änderung der Fließeigenschaften einher: Je nach Art und Menge der zugegebenen zweiten Flüssigkeit entsteht ein pastöser, formbarer Stoff, der mit etablierten Techniken verarbeitet werden kann. Nach dem Entfernen der flüssigen Bestandteile, beispielsweise durch Trocknen und anschließendes Sintern, entsteht ein Formteil mit definierter Porenstruktur und hoher mechanischer Festigkeit. Mit dem Verfahren können auch Kunststoffschäume z.B. für Verpackung oder Wärmedämmung mit Poren im Mikrometerbereich hergestellt werden.

Versuchsaufbau zur Bodenfeuchtemessung in Sand mit Sensor-Prototypen und einem kommerziellen Tensiometer als Vergleich. Im Labor wurden Untersuchungen mit unterschiedlichen Böden durchgeführt, wie z.B. Lehm- oder Sandboden. (Bild: Institut für Mechanische Verfahrenstechnik und Mechanik / KIT)

Die Vereinigung

David Menne vom MVM arbeitete während seiner Promotion im Projekt an der idealen Zusammensetzung der Kapillarsuspension: „Die Herausforderung war, ein Keramik-Partikelnetzwerk zu schaffen, das für die Anwendung passt und in vielen unterschiedlichen Bodenarten verlässlich funktioniert. Hierzu haben wir Untersuchungen zur Materialzusammensetzung aus den nötigen Rohstoffen – wie Partikel, Hilfsflüssigkeiten und Bindemitteln – durchgeführt, um die gewünschte Keramik zu erhalten.“ Das Ergebnis: hochporöse Keramikscheiben mit einem Durchmesser von ca. 50 Millimetern und einer Höhe von 5 Millimetern, welche mit den ebenfalls neuen elektronischen Komponenten der TRUEBNER GmbH verbunden wurden.

Keramik und Sensorik sind nur im Zusammenspiel erfolgreich: Die porösen Keramikscheiben nehmen Wasser aus dem Boden auf. Je nach vorliegender Saugspannung des Bodens wird Wasser in das Messmaterial oder aus ihm heraus transportiert. Diese Vorgänge werden elektronisch erfasst und bilden den Maßstab dafür, wie viel Wasser eine Pflanze dem Boden entziehen kann. Mithilfe einer Funkschnittstelle können die Daten direkt drahtlos übertragen und bei Bedarf an automatisierte Bewässerungssystem gekoppelt werden. Dem Projektpartner war dabei besonders wichtig, einen Sensor zu entwickeln, der das für Pflanzen verfügbare Wasser im Untergrund in verschiedenen Bodenschichten gleichzeitig bestimmen kann.

 

Einsatz im Feld

Im Rahmen des Projekts wurden die neuen Sensoren einem Praxistest unterzogen. Projektmitarbeiter Menne berichtet: „Nachdem wir im Labor zufriedenstellende Ergebnisse erreicht hatten, sind wir mit dem Prototyp des Bodenfeuchtesensors deutschlandweit raus auf Anbaufelder gegangen. In Kooperation mit einigen Landwirtschaftsbetrieben kam der Sensor unter Realbedingen, z.B. beim Anbau von Heidelbeeren, Spargel und Tomaten, zum Einsatz. Wir haben wichtige Erkenntnisse gesammelt, um nochmals die Belastbarkeit und Standzeit der Keramiken zu verbessern.“ Die TRUEBNER GmbH konnte mit den Referenzmessungen die Messempfindlichkeit der Elektronik erhöhen und erproben, wie die Handhabung der Messgeräte klappt. Die Feldversuche und die Resonanz der Betriebe war sehr positiv. Die Bestätigung für die TRUEBNER GmbH, das neuartige Tensiometer ins Produktportfolio mit aufzunehmen. Die Zahl der bewässerten Flächen steigt weltweit. Hier hilft die neue Messtechnik der Wasserverschwendung Einhalt zu gebieten. Darüber hinaus gibt es weiteres Anwendungspotenzial im Forschungsbereich rund um Waldtrockenheit und Dürre.

Der erste Prototyp des neuen Saugspannungssensors wurde unter Realbedingungen in der landwirtschaftlichen Praxis erprobt und optimiert. (Bild: Institut für Mechanische Verfahrenstechnik und Mechanik / KIT)

Der erste Prototyp des neuen Saugspannungssensors wurde unter Realbedingungen in der landwirtschaftlichen Praxis erprobt und optimiert: Heidelbeeranbau. (Bild: Institut für Mechanische Verfahrenstechnik und Mechanik / KIT)

Der erste Prototyp des neuen Saugspannungssensors wurde unter Realbedingungen in der landwirtschaftlichen Praxis erprobt und optimiert. (Bild: Institut für Mechanische Verfahrenstechnik und Mechanik / KIT)

Der erste Prototyp des neuen Saugspannungssensors wurde unter Realbedingungen in der landwirtschaftlichen Praxis erprobt und optimiert: Spargelanbau. (Bild: Institut für Mechanische Verfahrenstechnik und Mechanik / KIT)

Der erste Prototyp des neuen Saugspannungssensors wurde unter Realbedingungen in der landwirtschaftlichen Praxis erprobt und optimiert. (Bild: Institut für Mechanische Verfahrenstechnik und Mechanik / KIT)

Der erste Prototyp des neuen Saugspannungssensors wurde unter Realbedingungen in der landwirtschaftlichen Praxis erprobt und optimiert: Tomatenanbau. (Bild: Institut für Mechanische Verfahrenstechnik und Mechanik / KIT)

Vom Projekt zum Geschäftsmodell

Dass aus wissenschaftlichen Erkenntnissen ein Produkt oder gar Geschäftsmodell entstehen kann, ist nichts Unbekanntes für Prof. Willenbacher: „Gute Ideen sollen in die Anwendung kommen. Daher unterstütze ich den unternehmerischen Geist meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“ Die Ausgründung FastCast Ceramics wird in Zukunft in der Funktion als Zulieferer die Herstellung der Keramikscheiben übernehmen. So ist sichergestellt, dass die Kunden von TRUEBNER mit einer qualitativ hochwertigen Keramik versorgt werden. Für Forscher Menne ist die Arbeit im Projekt so zur Zukunftsperspektive geworden: „Durch meine Arbeit am Institut und im Projekt wurde ich darin bestärkt, dass die Herstellung von porösen Spezialkeramikteilen großes Potenzial hat. Mit meinen Mitgründern Moritz Weiß, Wolf Wedel und Johannes Käppeler bereiten wir gerade die offizielle Firmengründung vor.“

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