Veröffentlicht am 19. August 2025
EU.FFICIENT vernetzt Europa: Plattform für Co-Creation gestartet
Ideen mit hohem Innovationspotential entstehen dort, wo Theorie und Praxis aufeinandertreffen – wo Visionen in Anwendungen übergehen. Solche Ideen brauchen dabei nicht nur anwendungsnahe Forschung, sondern den interdisziplinären Austausch und die strategische Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Industrie und Gesellschaft. Genau dieses Miteinander innerhalb Europas stärkt die vor Kurzem gelaunchte Online-Plattform EU.FFICIENT, die vom Institut für Produktentwicklung (IPEK) am KIT mitentwickelt wurde.
Innovation braucht Verbindung
Online treffen Innovatoren auf Sparrings- und Umsetzungspartner – mit dem gemeinsamen Ziel, Lösungen für komplexe Herausforderungen zu entwickeln und schneller in die Anwendung zu bringen. Für die Industrie bedeutet das im Innovationsprozess: weniger Umwege, mehr Wissen und ein direkter Zugang zu Technologien und Forschungsressourcen. Annika Bastian, die seitens des IPEK an der Konzeption der Plattform maßgeblich beteiligt war, ist sich sicher: „Durch den strukturierten Austausch und die gezielte Vernetzung entsteht ein Mehrwert für alle Beteiligten – ein Schritt in Richtung nachhaltigen Technologietransfers auf europäischer Ebene.“
Starke Partner, gemeinsame Vision
EU.FFICIENT startete 2024 als EU-Projekt mit fünfzehn internationalen Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und öffentlichem Sektor. Das große und diverse Projektteam zeigt das starke Interesse am europaweiten Transfer. Die Konsortialpartner verfolgen ein gemeinsames Ziel: Menschen über Länder- und Disziplingrenzen hinweg in einer durchdachten Wissens- und Innovations-Community zusammenbringen. Bastian konkretisiert: „Wir wollen innerhalb Europas eine Vernetzung zwischen ‚Expert Facilitators‘ ermöglichen – also alle Personen, die eine Lücke zwischen Forschung und industrieller Anwendung überbrücken können. In der Praxis können das nicht nur Forschende sein, sondern auch Technologietransfer-Beauftragte, Mitarbeitende aus dem Business Development oder Forschungsmanagement sowie Personen mit Leitungsfunktion oder ganz spezifischem Fachwissen in Unternehmen oder öffentlichem Sektor.“ Seit Juli 2025 ist die Plattform online und offen für alle, die Innovation aktiv mitgestalten wollen.
User-Journeys statt Bauchgefühl
Damit EU.FFICIENT echten Nutzen schafft, setzt das Konsortium konsequent auf nutzenzentrierte Entwicklung. Annika Bastian und Christoph Kempf aus der Forschungsgruppe Entwicklungsmethodik und -management (EMM) des IPEK haben als Teil des internationalen Konsortiums die Entwicklungsmethodik hin zum Plattformdesign federführend gestaltet. Annika Bastian erklärt das Vorgehen: „Zusammen mit Studierenden und im Austausch mit Kollegen haben wir die Methodologie erarbeitet – insbesondere die systematische Erhebung, Modellierung und iterative Weiterentwicklung von User-Journeys. Im Zentrum standen dabei die Fragen: Was brauchen die Nutzenden wirklich? Welche Rollen und Ziele haben unsere Nutzenden? Und was ist wichtig, um echte Zusammenarbeit anzustoßen?“ Anstelle von Annahmen oder Einzelmeinungen bilden konkrete Nutzungsbedarfe und Prozessabläufe die Grundlage für die Plattformgestaltung: Zum einen die aus Erfahrungen abgeleiteten Anforderungen der Verbundpartner, zum anderen die methodisch erarbeiteten Bedürfnisse aller Stakeholder, die beispielsweise anhand von SWOT-Analysen und Business Model Canvas erarbeitet wurden.
Vom Nutzen zum Produkt
„Besonders wertvoll war für uns eine am Institut entwickelte Methode, die Klarheit zu Nutzen und Zielrichtung schafft, ohne technische Lösungen vorwegzunehmen – das Produktprofil“, sagt die Methodenexpertin Bastian und ergänzt: „Das ist ein Entwicklungsmodell für eine strukturierte Übersicht, welchen Nutzen ein Produkt bieten soll – für den Anbieter, den Kunden und den Anwender. Anstatt sich sofort auf eine technische Lösung festzulegen, definiert ein Produktprofil einen offenen Rahmen, in dem kreativ gearbeitet werden kann und mögliche Lösungen abgewogen werden können. So konnten wir Funktionen gezielt validieren, bevor sie vollständig im Produkt integriert wurden.“ Zur finalen Auswahl der Ausgestaltungsoptionen wurden potenzielle Nutzende in semi-strukturierte Interviews einbezogen. So entstand eine bedarfsgerechte Lösung, deren erste Features nach Abstimmung im Konsortium programmiert und in einer Betaversion validiert wurden.
Drei Säulen der Nutzung
Von Anfang an herrschte unter den Projektpartnern Einigkeit über die Grundausrichtung der zu entwickelnden Online-Plattform. Die Plattform basiert auf drei zentralen Säulen der Nutzung:
- Personalisiertes Training & Selbstlernen: Interaktive Lernmodule – online und in Präsenz – ergänzt durch ein Self-Assessment-Tool, das nutzerindividuell den eigenen Weiterbildungsbedarf ermittelt und passende Workshops und Module vorschlägt.
- Wissensaustausch & Networking: Vernetzung in themenspezifischen, kuratierten Communities, gezielte Kontaktmöglichkeiten (z.B. Profile, Posts, private Chats) und ein Community-Newsfeed, der relevante Inhalte filtert.
- Praktische Challenges & Co-Creation: Proaktive Möglichkeiten zum Aufruf oder zur Suche von konkreten Projektideen, Mentoring-Beziehungen oder inhaltlichem Diskurs.
Bastian betont: „EU.FFICIENT ist mehr als ein soziales Netzwerk, es ist Lernumgebung, Community und Arbeitsraum zugleich. Wir wollen, dass die Leute zusammenfinden und sich weiterentwickeln. Entlang von vier Themengemeinschaften, Communities of Expert Facilitators (CEFs) genannt, erhalten Mitglieder themenspezifische Inhalte, Vernetzungsangebote und gezielte Impulse für Austausch und Co-Creation.“ Der persönliche Austausch sei laut Bastian eine entscheidende Komponente: „Uns war wichtig, dass es auch Angebote, wie Events und Trainingsmodule, gibt, die in Präsenz stattfinden. So können Teilnehmende Beispiele oder auch echte Usecases zusammen angehen und direkt das zu lösende Problem diskutieren. In der Gruppe erhält der Problemstellende nicht nur Feedback, sondern kann entsprechend gemeinsam mit den anderen daran arbeiten. Das ist Co-Creation: gemeinsam mehr leisten als einzeln möglich wäre.“
Launch mit 4 Themenclustern
Während der Konzept- und Aufbauphase haben sich vier Themencluster herauskristallisiert, die zum Start der Plattform angeboten werden: Advanced Manufacturing, Mobility, Health Tech sowie AI / Digital. Diese werden jeweils von einem Projektpartner moderiert. Hier engagiert sich das IPEK in der Community Mobility. Eine beachtliche Basis an Informationen und Lernmodulen steht bereits zur Verfügung. Doch nicht nur die Moderatoren und Verbundpartner bringen Inhalte ein. Jedes registrierte Mitglied kann Trainingsmaterialien, Vorträge oder Projektideen teilen, die nach einem Qualitätssicherungsprozess auch den anderen Mitgliedern zur Verfügung gestellt werden. Die Plattform wächst mit ihren Nutzenden und bleibt offen für neue Themen und Formate. In Zukunft ist die Ausweitung auf weitere Themencluster angedacht.
Vielfalt als Innovationsmotor
EU.FFICIENT schafft einen digitalen Raum für Kollaboration, vereinfacht den Zugang zu wissenschaftlichem Know-how und erleichtert die Anbahnung von Kooperationsprojekten. Mithilfe des Erfahrungsschatzes und der komplementären Kompetenzen der Nutzenden entsteht ein einzigartiges Innovationsumfeld. „Jede Gruppe bringt eigene Perspektiven, Kompetenzen und Ressourcen ein, die sich gegenseitig ergänzen. Wissenschaft bringt neueste Erkenntnisse und Technologien ein, Unternehmen praxisnahe Anwendungen und Marktzugang, die öffentliche Hand gesellschaftliche Bedarfe und regulatorisches Wissen. Diese Vielfalt steigert Kreativität und ermöglicht die Lösung komplexer Herausforderungen“, beschreibt Bastian die Zusammenhänge.
Open Source mit klaren Regeln
Die Online-Plattform basiert auf einer Open-Source-Lösung, damit sie auch nach Projektende weiterentwickelt werden kann. Für den sicheren Umgang mit Daten sorgen klare Community-Richtlinien, macht Bastian deutlich: „Nur posten, was geteilt werden darf – dieser Grundsatz zieht sich durch und wir klären unsere Mitglieder schon bei der Anmeldung darüber auf. Sensible Inhalte gehören in geschützte Räume, die den jeweiligen Unternehmensrichtlinien entsprechen. Wir bieten unterschiedliche Kommunikationskanäle an, aber integrierte Funktionen, wie Google-Chat oder Zoom, müssen nicht zwingend genutzt werden.“ Den Initiatoren der Plattform ist wichtig, dass es die Nutzenden von einem ersten Chat in den Arbeitsmodus schaffen. Bei einem erfolgreichen Match können individuelle Tools für die weitere Kollaboration genutzt werden.
Eine Einladung zur Zusammenarbeit
EU.FFICIENT bietet einen neuen Raum, in dem Ideen nicht nur ausgetauscht, sondern weitergedacht werden können. Wer also nicht nur Netzwerken, sondern gemeinsam gestalten will, ist hier genau richtig. Mit dem offiziellen Launch steht die nächste Etappe an: „Wir wollen die Plattform auf Basis des realen Nutzerverhaltens weiterentwickeln“, so Bastian. Denn EU.FFICIENT ist nicht als fertiges Produkt gedacht, sondern als lebendiges Ökosystem, das von der aktiven Beteiligung lebt und mit seinen Nutzenden wächst.
EU.FFICIENT – Projektfakten
Das Projekt EU.FFICIENT wird im Rahmen von Horizon Europe von 2024 bis 2026 gefördert (Projektnummer 101135297). Koordiniert wird das Projekt von der KU Leuven (Belgien). Insgesamt arbeiten 15 Partner aus 9 Ländern gemeinsam daran, ein nachhaltiges Innovationsökosystem zu schaffen: KIT, CIT UPC (Spanien), FPM (Italien), CentraleSupelec (Frankreich), UM (Slowenien), Tice.pt (Portugal), Flanders Make (Belgien), SVSPT (Litauen), UIIN (Niederlande), EIT Manufacturing East (Österreich), i2m Unternehmensentwicklung GmbH (Österreich), CSES Europe (Irland), Innoget (Spanien) sowie die Gemeinde SKELLEFTEA (Schweden).

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