Research to Business

Picken und Packen mit QBIIK

Forscher des KIT haben gemeinsam mit Industriepartnern das lernfähige, autonome Kommissionierungssystem QBIIK entwickelt. Mit mobilem Logistikfahrzeug, Industrieroboter und taktilem Greifer sollen Lasten zukünftig autonom bewegt und Nachschub gepickt werden.

Ein Teil des Projektteams QBIIK (v.l.n.r.): Jonathan Dziedzitz (KIT IFL), Gerrit Flüssmeyer (Audi Sport), Yongzhou Zhang (KIT IAR) und Alexander Pollmann (Bär Automation) arbeiten gemeinsam an der autonomen Logistik. (Bild: Amadeus Bramsiepe / KIT)

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Schema Blabla

Fahrerlose Logistikfahrzeuge, die Waren selbstständig durch Lagerhallen mit unzähligen Regalmetern navigieren, sind längst keine Seltenheit mehr in modernen Logistikzentren. Oft sind diese Vehikel völlig autonom unterwegs, ohne mit Mitarbeitern in Kontakt zu kommen. Kreuzen sich die Wege von Mensch und Maschine, helfen Sicherheitsmaßnahmen wie Zäune, Lichtschranken oder auch Personenschutzscanner dabei, Kollisionen und Unfälle zu vermeiden. Wie sich Mensch und Logistikroboter in Zukunft ergänzen und sinnvoll miteinander interagieren können, wurde im BMWi-geförderten Projekt QBIIK erprobt.

Seit 2017 haben zwei Forschergruppen des KIT, vom Institut für Fördertechnik und Logistiksysteme (IFL) sowie vom Institut für Anthropomatik und Robotik (IAR), gemeinsam mit Industriepartnern den Einsatz eines autonomen, lernfähigen Logistikroboters bis hin zum Piloteinsatz entwickelt. Das Projektkonsortium wird durch die Audi Sport GmbH, die Bär Automation GmbH sowie die STILL GmbH vervollständigt. QBIIK-Projektleiter Jonathan Dziedzitz vom IFL berichtet zufrieden: „Wir haben in den vergangenen zwei Jahren eine neuartige kollaborierende Logistikplattform erschaffen, welche die Technologie autonomer Systeme mithilfe von Teleoperation mit den Fähigkeiten des Menschen nutzbringend verbindet.“

Nachschubbeschaffung optimieren

Um QBIIK unter realistischen Anforderungen zu entwickeln, diente ein Einsatzszenario aus dem Hause Audi Sport als Entwicklungsrahmen. Gerrit Flüssmeyer, der für die logistische Prozessplanung in der Heilbronner Automanufaktur zuständig ist, beschreibt den Anwendungsfall: „Damit unseren Montagearbeitern für die Kleinserie des Audi R8 immer das richtige Material in ausreichender Menge am Montageplatz zur Verfügung steht, werden mehrmals täglich kistenweise Bauteile in sogenannten Kleinladungsträgern (KLTs) aus dem Zentrallager auf Fächerwägen gepickt und an den Bedarfsort gefahren. Bisher werden die Nachschubkisten noch von Menschenhand verladen und verteilt.“ Die Forderung nach Effizienz und gleichzeitiger körperlicher Entlastung der Mitarbeiter ist der Antrieb, solche Teilprozesse unter Einsatz von Robotik zu automatisieren. Ein autonomes Kommissionierungssystem, wie QBIIK, könnte erhebliche Erleichterung bringen.

Lasten autonom bewegen                                                            

QBIIK besteht aus einem autonomen Logistikfahrzeug, auf dem ein Industrieroboter mit taktilem Greifer aufgesetzt ist. Alle Grundoperationen führt das System autonom aus: Das Fahrzeug orientiert sich selbstständig im Raum und navigiert zum Ziel, findet die richtigen Regale, greift die benötigten Warenkisten und befördert sie schließlich zum Warensupermarkt der Automobilmanufaktur. Hier werden die KLTs aus dem Fächeranhänger automatisiert entnommen und an handelsübliche Durchlaufregale in der Montagestrecke übergeben. Alexander Pollmann, Konstruktionsingenieur bei Bär Automation, beschreibt die Besonderheit: „Wir wollten ein System entwickeln, das wirklich in der Lage ist, schwerbeladene KLTs zu tragen und so eine tatsächliche Entlastung für den Menschen darstellt.“ Üblicherweise werden deutlich kleinere Roboter auf mobilen Fahrplattformen verbaut, die das Handling von Einzelteilen übernehmen. Im Gegensatz dazu ist der in QBIIK verbaute Knickarmroboter fähig, verschiedenförmige KLTs mit einem Maximalgewicht bis zu 15 Kilogramm zu hantieren.

Für die branchenüblichen Kleinladungsträger (KLT) in der Lagerlogistik wurde ein spezieller Greifer entwickelt, damit QBIIK die Behälter vollautomatisiert fassen kann. Der Greifer ist kompatibel zu unterschiedlichen Kistengrößen und trägt Ladungen mit bis zu 15 Kilogramm. (Bild: Institut für Fördertechnik und Logistiksysteme / KIT)

Alles im Griff

Mit der Definition des Einsatzbereichs waren auch die Randbedingungen gegeben: Es galt, KLTs unterschiedlicher Größe und Ausrichtung vollautomatisiert zu greifen. „Kein am Markt erhältlicher Greifer konnte die hohe Varianz der KLTs in Kombination mit dem maximal möglichen Gewicht meistern. Die Lösung war eine vollständige Neuentwicklung eines Greifers, der unseren Anforderungen gerecht wird“, erklärt Pollmann. Mithilfe des QBIIK-Greifers können die unterschiedlichen KLTs sowohl längs als auch quer gegriffen werden. Zusätzlich wird der Ladungsträger aufgrund des hohen Gewichts durch Schienen an der Unterseite gestützt.

Die Kistenerkennung und Greifpunktbestimmung erfolgt über ein mehrstufiges System, das maßgeblich am IAR entwickelt wurde. Dziedzitz berichtet: „Ein künstliches neuronales Netz erkennt die zu greifende Kiste und weitere Merkmale, die für den Greifvorgang benötigt werden. Neben bildgebender Sensorik kommt eine Kombination aus 3D-Kamera und taktilen Näherungssensoren zum Einsatz. Diese bestimmen die exakte Position der Kiste im Raum und die Anfahrtsposition des Roboters.“ Eine Herausforderung war die kompakte Integration der benötigten Elektronikkomponenten für die Ansteuerung des Roboters und des Greifers. Mit der Expertise als Sondermaschinenbauer war Bär Automation hier für die Systemintegration zuständig. Eine durchdachte Systemarchitektur vereint Zukaufkomponenten, Eigenkonstruktionen und selbstentwickelte Sensorik in einer Gesamtplattform zu einem neuartigen, autonomen Kommissionierungssystem.

Mensch-Maschine-Interaktion

„Die Grundidee war, dass wir den Menschen als Assistenz zu dem autonomen System ansehen“, betont Dziedzitz, der sich im Projekt intensiv der Teleoperation widmete. „Tritt eine für QBIIK unbekannte Situation auf, pausiert das System, um eine Fehlfunktion oder einen Ausfall des Systems zu vermeiden und fordert menschliche Unterstützung an.“ Solche unbekannten Ereignisse können beispielsweise verklemmte Kisten, ein fehlendes Label oder ein schief stehendes Regal sein. Für die Situationsanalyse ist eine neuartige Anomalie-Erkennung implementiert, die auf Basis der verfügbaren Sensorsignale die Lage bewertet. Der „Hilferuf“ initiiert die Interaktion des Roboters mit dem Menschen nach dem Prinzip der Teleoperation. Dabei überbrückt eine komplexe Mensch-Maschine-Schnittstelle die räumliche Distanz in Echtzeit, sodass ein menschlicher Bediener von einem völlig anderen Ort – entweder über eine Virtual-Reality-Brille oder über einen Bildschirm – die Situation analysieren kann.

Mit der entsprechenden technischen Ausstattung wird QBIIK dann vom Bediener fremdgesteuert. Der Teleoperator führt den Greifprozess aus, indem die Armbewegungen unmittelbar auf den Greifarm des Roboters übertragen werden. So wird die Bewegung vom Menschen ausgeführt, aber in der Ferne vom Roboter erledigt. Dziedzitz unterstreicht: „Die menschliche Intelligenz, Dinge zu erkennen und entsprechend zu handeln, wird durch die Teleoperation eins zu eins auf die Maschine übertragen.“ QBIIK besitzt die Fähigkeit, bei jedem Bedienereinsatz zu lernen, indem bei jeder Fernsteuerung Lerndaten generiert werden, die das System verbessern. Bei erneutem Auftreten der Situation soll QBIIK dann in der Lage sein, die Arbeitsschritte selbstständig auszuführen. Konnte der Teleoperator die Situationen lösen, geht QBIIK wieder in den autonomen Betrieb über. Der Bediener widmet sich wieder seinem Alltagsgeschäft.

Sicherheit geht vor

Wie bei allen Robotern, die in einer Umgebung mit Menschen eingesetzt werden, gelten sehr hohe Anforderungen an die Arbeitssicherheit. In Anbetracht des schweren Industrieroboters, der bei QBIIK eingesetzt wird, haben Maßnahmen zum Schutz des Menschen auch hier höchste Priorität. Dziedzitz verdeutlicht die Dimensionen: „Inklusive Anhänger misst der Demonstrator eine Gesamtlänge von 6,5 Metern. Mit bis zu 3,5 Tonnen Gesamtgewicht ist es sicherheitstechnisch kritisch einzustufen, dass sich der Anhänger frei bewegen kann.“ Hier haben die Ingenieure einige Maßnahmen ergriffen, um die Sicherheit zu gewährleisten. Neben einer aktiv gesteuerten Kupplung wird QBIIK von einem virtuellen Schutzzaun umgeben, der den geforderten Sicherheitsabstand ununterbrochen kontrolliert. Um den gesamten Demonstrator sicher betreiben zu können, wurde außerdem eine Risikoanalyse durchgeführt. Federführend war hierbei die Firma STILL. Insgesamt wurden dabei 116 Gefahren erkannt und entsprechende Maßnahmen zur Vermeidung definiert. Gerade das Thema Arbeitssicherheit zeigte im Projektverlauf, dass hier noch viele ungeklärte Fragen bestehen.

Warenlogistik mit Weitblick

Ende dieses Jahres mündet das Verbundprojekt in einer Pilotphase in der Audi Sport-Manufaktur, wo alle Komponenten zusammenspielen. Hier wird der automatisierte Nachschubprozess mit QBIIK in einer realitätsnahen Pilotumgebung stattfinden, um wichtige Daten über die Dauernutzung, die Teleoperation und die Lernfähigkeit des Systems zu gewinnen. „Wir verfolgen unterschiedliche Ansätze von Industrie 4.0, um den manuellen Aufwand im Werk zu reduzieren. QBIIK hat Potenzial, mittelfristig die Nachbeschaffung zu optimieren. Im Projekt sammeln wir die ersten Erfahrungen mit der intensiven Mensch-Maschine-Kommunikation mit autonomem Roboter“, erklärt Prozessmanager Flüssmeyer abschließend.

„Wir haben uns einen sehr individuellen Prozess angeschaut und mit möglichst wenig Eingriff automatisiert. Der intelligente, lernfähige Logistikroboter QBIIK könnte in Zukunft jedoch auch andere Prozesse effizienter machen – überall dort, wo Regale befüllt werden müssen“, da ist sich der Projektleiter Dziedzitz sicher. Insbesondere das Potenzial der VR-Teleoperation lässt sich auf beliebige autonome Robotiksysteme übertragen. „Momentan ist es eine Art Brückentechnologie, die erahnen lässt, wie nutzbringend autonome Systeme in Kollaboration mit dem Menschen irgendwann eingesetzt werden könnten“, so Dziedzitz weiter. Die gesammelte Expertise zum sensorbasierten Erkennen und robusten Greifen diverser Objekte erweitert die Einsatzmöglichkeiten des Systems in der Kommissionierung.

Ein Demonstrator von QBIIK bei der ersten Inbetriebnahme: Für die Teleoperation bildet die Mensch-Maschine-Schnittstelle die Arbeitssituation in Echtzeit auf einem Bildschirm ab. Die Analyse dieser Situation ermöglicht dem Teleoperator das Eingreifen und Handeln im Realszenario.
(Bild: Institut für Fördertechnik und Logistiksysteme / KIT)
Ein Demonstrator von QBIIK bei der ersten Inbetriebnahme: Für die Teleoperation bildet die Mensch-Maschine-Schnittstelle die Arbeitssituation in Echtzeit auf einem Bildschirm ab. Die Analyse dieser Situation ermöglicht dem Teleoperator das Eingreifen und Handeln im Realszenario. (Bild: Institut für Fördertechnik und Logistiksysteme / KIT)

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