Research to Business

Pandemie und persönliche Netzwerke

Professionelle Netzwerke im Technologietransfer arbeiten normalerweise mit vielen Veranstaltungen und persönlichen Treffen, um ihre Community zusammenzuhalten und den Austausch untereinander zu fördern. Wie funktioniert das, seit persönliche Treffen kaum mehr möglich sind? Wir haben in den vergangenen Monaten Erfahrungen gesammelt.

Für Laura Bosch (rechts) und Markus Bauer hat sich unter Corona-Bedingungen nicht nur der Arbeitsalltag verändert, sondern auch der Umgang mit den Netzwerken, die sie jeweils betreuen. (Bild: KIT)
Für Laura Bosch (rechts) und Markus Bauer hat sich unter Corona-Bedingungen nicht nur der Arbeitsalltag verändert, sondern auch der Umgang mit den Netzwerken, die sie jeweils betreuen. (Bild: KIT)

Laura Bosch baut seit 2017 das Netzwerk KIT Industry Experts auf, das Alumni des KIT für einen engen Austausch im Bereich Wissens- und Technologietransfer begeistern möchte. Etwa 160 Mitglieder zählt das Netzwerk, zu dem vornehmlich Unternehmensvertreter gehören.

Dr. Markus Bauer leitet den KIT-Business-Club, der als direkter Vermittler zwischen Unternehmen und Wissenschaftler/innen Innovationsprojekte anstößt und den Aufbau persönlicher und nachhaltiger Kontakte zwischen den beiden Seiten fördert.

Beide Netzwerke setzten vor Beginn der Pandemie auf Events als wichtigste Begegnungsplattform. Dazu gehörten selbst organisierte Netzwerktreffen, Kaminabende oder Thementage. Genutzt wurden jedoch auch andere Großveranstaltungen oder Messen, um die Mitglieder zusammenzubringen. Wie sie ihre Communities am Laufen halten und welche Lehren sie aus den letzten Monaten ziehen, haben sie uns im Interview erzählt.

Wie geht es euch und euren Netzwerken nach Monaten der Kontaktbeschränkungen?

Markus Bauer: Der KIT-Business-Club ist aktiv und mit den allermeisten unserer Mitgliedsunternehmen haben wir uns auch in den letzten Monaten direkt ausgetauscht. Natürlich haben sich der Kontakt und die Gespräche ins Digitale verlagert. Die Club-Veranstaltungen, wie es sie vorher gab, konnten wir aktuell nicht anbieten. Dafür haben wir experimentiert und zum Beispiel die digitale Themenreihe KIT-Einblicke mit Impulsvortrag und Diskussion organisiert.

Laura Bosch: Für uns war es auch wichtig, überhaupt sichtbar zu bleiben. Wir haben eine interessante Entwicklung beobachtet: Die veränderte Arbeitssituation mit abgesagten Terminen und Dienstreisen hat dazu geführt, dass Einzelpersonen für uns noch besser erreichbar waren und kurzfristiger als zuvor verbindliches Engagement einbringen konnten. Wir konnten zum Beispiel für Doktoranden am KIT sehr zeitnah Mentoren aus dem Kreis des Netzwerks finden. Diese Personen hätten das wegen der vollen Terminkalender vorher sicherlich nicht so unkompliziert einplanen können.

Es war einmal: Markus Bauer im persönlichen Gespräch bei einem der Thementage des KIT-Business-Clubs. „Mir fehlt der Zufall, der Menschen vor Ort spontan zusammenbringt“, sagt er. (KIT/Tanja Meissner)
Es war einmal: Markus Bauer im persönlichen Gespräch bei einem der Thementage des KIT-Business-Clubs. „Mir fehlt der Zufall, der Menschen vor Ort spontan zusammenbringt“, sagt er. (KIT/Tanja Meissner)

Gibt es einen Digitalisierungsboost im Technologietransfer?

Laura Bosch: Das kommt schon darauf an, welchen Bereich man betrachtet. Gut ist, dass fast in allen Einrichtungen und Unternehmen eine neue Offenheit entstanden ist, alternative Formate auszuprobieren. Dienstreisen teilweise durch Videomeetings zu ersetzen, macht nachhaltig Sinn und spart Zeit. Digitale Messen, Webinare und Austauschformate wurden nie vorher so intensiv getestet. Wie überall, müssen wir im Technologietransfer nach und nach Schlüsse ziehen, was sich für eine Verstetigung eignet, auch nach der Pandemie.

Markus Bauer: Und bei aller Experimentierfreude und allen Lerneffekten, die wir in den vergangenen Monaten hatten: Da ist nicht nur Positives dabei. Manche Dinge lassen sich einfach nicht so richtig in den digitalen Raum übertragen.

Was fehlt euch bei digitalen Formaten?

Markus Bauer: Das Persönliche und der Zufall! Nehmen wir ein Netzwerktreffen mit mehreren Dutzend Teilnehmern. Einer der wichtigsten Effekte dieser Veranstaltungen findet nicht in den Workshops oder Vorträgen statt, sondern in den Pausen. Am Stehtisch, an dem sich durch reinen Zufall vier bis fünf fremde Personen zum Essen zusammenfinden, nehmen nicht selten gemeinsame Projekte ihren Anfang. Klar gibt es Formate wie Breakout-Räume, aber die werden erfahrungsgemäß eben doch eher für thematische Besprechungen genutzt als für ein spontanes Zusammentreffen Unbekannter. Wir freuen uns schon sehr darauf, irgendwann wieder den persönlichen Austausch vor Ort zu haben.

Laura Bosch: Absolut, man freut sich ja auch auf die ungezwungene Atmosphäre solcher Treffen und dass man sich mit Menschen außerhalb des normalen beruflichen Rahmens austauscht, die man inzwischen schon Jahre kennt. Außerdem fehlt uns auch die Möglichkeit, externe Gäste in die Labore zu bringen. Der Stand einer Technologie, das Potenzial, das sie bietet und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die dahinterstehen, lassen sich für unsere Mitglieder eben doch besser greifen, wenn sie sie vor Ort erleben.

Laura Bosch sieht auch positive Seiten an der Netzwerkarbeit unter Pandemiebedingungen: „Termine per Telefon oder Videoplattformen lassen sich spontaner realisieren, die Mitglieder haben Luft für kurzfristige Gespräche.“ (KIT/Patrick Langer)
Laura Bosch sieht auch positive Seiten an der Netzwerkarbeit unter Pandemiebedingungen: „Termine per Telefon oder Videoplattformen lassen sich spontaner realisieren, die Mitglieder haben Luft für kurzfristige Gespräche.“ (KIT/Patrick Langer)

Wie plant ihr die kommende Zeit für den KIT-Business-Club und die KIT Industry Experts?

Laura Bosch: Wir orientieren uns hier zweigleisig. Ich glaube, es tritt inzwischen eine gewisse Sättigung digitaler Angebote ein. Wir versuchen daher eher zu bündeln und eine sinnhafte Auswahl für die Experts zu treffen. Trotzdem wollen wir daran arbeiten, dass der Austausch der Experts untereinander stärker stattfinden kann, auch digital. Wir beschäftigen uns damit, welche Möglichkeiten es gibt, den zufallsgetriebenen Kontakt digital abzubilden und nehmen uns dabei auch Aktivitäten von Kolleginnen und Kollegen am KIT zum Vorbild, zum Beispiel des KIT-Alumni-Netzwerks.

Markus Bauer: Wir planen für den Herbst weitere Webinare im Zuge der KIT-Einblicke-Reihe. Außerdem versuchen wir, in Gesprächen zu klären, welche Geschäftsbereiche für unsere Mitglieder angesichts der aktuellen Veränderungen wichtiger und zukunftsträchtiger werden und was wir in diesen Themenbereichen anbieten können. Niemand weiß, wie uns und unsere Mitgliedsfirmen das Infektionsgeschehen im weiteren Jahresverlauf trifft. Wir planen aber fest, dass wir im eingeschränkten Maß wieder Veranstaltungen vor Ort am KIT durchführen können und hoffen sehr, dass das möglich sein wird.

 

Das Interview führte Anke Weigel

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