Veröffentlicht am 17. Dezember 2021
Nachhaltige Industrieprodukte – Wie der Richtungswechsel in der Produktion gelingt
Nachhaltig zu produzieren bedeutet, Güter ressourcenschonend herzustellen und die Regenerationsfähigkeit der natürlichen Ressourcen dabei zu erhalten. Das oberste Ziel hierbei ist, die Lebensgrundlage für zukünftige Generationen zu sichern. Deshalb werden von den Konsumenten verstärkt Produkte nachgefragt, die mit geringem Rohstoff- und Energieeinsatz hergestellt werden. Im KIT-Business-Club kommen solche Entwicklungen auch direkt an. „Die Anfragen von Mitgliedsunternehmen zu nachhaltigen Technologie-Entwicklungen aus dem KIT nahmen dieses Jahr stark zu“, erläutert Dr. Markus Bauer, der Leiter des Netzwerks. „Eine resiliente Rohstoffversorgung und effiziente Ressourcennutzung spielt für viele Industriebranchen eine immer wichtigere Rolle“, betont Prof. Dr. Thomas Hirth, Vizepräsident des KIT für Innovation und Internationales und Sprecher des THINKTANK Industrielle Ressourcenstrategien. Beim Thementag „Nachhaltige Produkte und nachhaltige Produktion“ des KIT-Business-Clubs am 25. November 2021 gingen die Referierenden und Teilnehmenden einigen der Herausforderungen und neuen Lösungen nach.
Angesichts vieler unterschiedlicher Felder und Aspekte ist Nachhaltigkeit schwer zu greifen und zu bewerten. Auf globaler Ebene haben die Vereinten Nationen deshalb in den letzten Jahren mit den 17 ‚Sustainable Development Goals‘ einen umfassenden Handlungsrahmen definiert: „Aus den dort formulierten Zielgrößen lässt sich für Staat und Gesellschaft ein Set an Indikatoren ableiten, um den Fortschritt bei der Erreichung der Ziele zu messen und zu bewerten“, wie Dr. Christiane Rösch vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) im ersten Vortrag erläuterte. Analog werden auch bei vielen Unternehmen Strategien erarbeitet, die die Kriterien aus unterschiedlichen Handlungsfeldern aufgreifen und den Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung fördern.
Der Thementag beleuchtete vor allem Bereiche der Produkte und Produktion als wichtige Handlungsfelder für jedes Unternehmen. Ansatzpunkte für mehr Nachhaltigkeit finden sich hier entlang der gesamten Produktentstehungskette, beginnend bei den Einsatzstoffen, über die Herstellungsverfahren, bis hin zu den Produkten selbst (Abb. 1).
Nachwachsende Rohstoffe, nachhaltige Verfahren
- Materialien aus nachwachsenden Quellen verringern beispielsweise den ‚carbon footprint‘ von Produkten. Dabei können viele dieser Materialien inzwischen hinsichtlich ihrer Performance mit gängigen Werkstoffen mithalten und zu nachhaltigeren Endprodukten führen. Prof. Michael Meier vom Institut für Organische Chemie (IOC) hat Herstellungsverfahren für eine Reihe von nachhaltigeren Kunststoffen entwickelt. Er betont: „Wichtig ist, dass für die Nachhaltigkeitsbetrachtung immer der gesamte Prozess mit allen Abfallprodukten und Energieströmen berücksichtigt wird und dabei die Wirtschaftlichkeit darstellbar bleibt“.
Abfallverwertung
- Um Abfallströme und die Herstellung von Erdöl-basierten Ausgangsstoffen zu reduzieren, ist Recycling unumgänglich. Hauptaugenmerk der Forschung von Prof. Dieter Stapf vom Institut für Technische Chemie (ITC) liegt dabei auf komplexen Werkstoffverbünden und Materialgemischen, deren Aufkommen in der nahen Zukunft, z.B. aus Elektronik oder langlebigen Bauprodukten, stark ansteigen wird. Verfahren zur Verwertung dieser Gruppe von Abfallstoffen sind besonders anspruchsvoll, aber mit dem chemischen, molekularen Recycling über Pyrolyse arbeitet das KIT an einem effektiven Weg zur Wiedergewinnung chemischer Grundstoffe aus diesen Materialien
Aufarbeitung und Wiederverwendung
- Großes Potenzial bietet auch die Refabrikation (engl. Remanufacturing) von ganzen Produkten oder Komponenten. Nur ein sehr kleiner Prozentsatz ausrangierter Altprodukte wird heute auf diesem Wege einer Zweitnutzung oder Wiederverwendung zugeführt – auch aus mangelndem Kundeninteresse. Die Ursachen dafür liegen laut Felix Klenk vom wbk Institut für Produktionstechnik insbesondere im Fehlen einer zuverlässigen Liefer- und Logistikkette für Altprodukte, sowie in der mangelnden Verfügbarkeit von Informationen über den kompletten, bisherigen Lebenszyklus. Das wbk arbeitet am Aufbau solcher Logistik- und Informationssysteme aber auch an Lösungen zur Demontage am Beispiel von Automotive-Komponenten.
Nachhaltige Produktentwicklung
- Schon in der Produktentwicklung und beim Design liegen wichtige Stellschrauben, um zu nachhaltigeren Produkten zu kommen. Markus Spadinger vom Institut für Produktentwicklung (IPEK) erläutert: „Zur Optimierung muss stets das soziotechnische Gesamtsystem, also auch der potenzielle Nutzer und sein Umgang mit einem Produkt, einbezogen werden“. Der Methodenbaukasten der Produktentwicklung für nachhaltige, zukunftsfähige Lösungen umfasst u.a. Trendanalysen, Szenariotechniken oder ein Roadmapping für verschiedene Produktgenerationen.
Life-Cycle-Analysen
- Die aktuelle Entwicklung im Bereich der Batteriesysteme für unterschiedlichste Anwendungen ist sehr dynamisch. Umso wichtiger ist eine umfassende Nachhaltigkeitsbetrachtung dafür. Die Arbeiten zur ‚Life Cycle Analysis‘ von Dr. Marcel Weil aus dem Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanaysle (ITAS) liefern wertvolle Erkenntnisse zu kritischen und unkritischen Rohstoffen, sowie über die Nachhaltigkeit von verschiedenen Zell-Designs und Produktionswegen. Gleichzeitig zeigen sie auch, dass zur Nachhaltigkeit eines Batteriesystems vor allem auch ein passendes Nutzungsszenario und das Recycling eine große Rolle spielen.
Die Gäste des Thementages waren sich nach dem intensiven, digitalen Austausch einig: Für nachhaltigere Produkte und Produktionssysteme kann man an vielen Stellschrauben ansetzen. Aber für die finale Bewertung ist immer eine Betrachtung des Gesamtsystems und des gesamten Lebenszyklus essentiell. Dabei ist Nachhaltigkeit nie absolut, sondern stets im Vergleich zu anderen Lösungen zu betrachten.
Der Thementag hat eine Reihe dieser kleinen und großen Stellschrauben aufgegriffen. Daraus entstand ein kompakter Überblick mit vielen einzelnen Impulsen zur Nachhaltigkeitsforschung am KIT, die die Teilnehmenden aus der Industrie in ihre Unternehmen mitnehmen können. Der KIT-Business-Club bedankt sich bei den Referierenden und Gästen!
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