Veröffentlicht am 21. Oktober 2024
Knackige Chips für das digitale Zeitalter
Der globale Markt für Halbleiter ist in Bewegung. Während einerseits anspruchsvolle Chipdesigns für Anwendungen der künstlichen Intelligenz die Börsenwerte in die Höhe treiben, werden andererseits Produktionsstätten und Lieferketten weltweit neugeordnet, oftmals durch politische Programme gefördert. Die Bedeutung und Chancen dieser Branche für Europa, Deutschland und Baden-Württemberg standen im Mittelpunkt der Gespräche beim Kaminabend des KIT-Business-Clubs am 24. September 2024. Welche Herausforderungen und Lösungsansätze gibt es? Dazu diskutierten im TRIANGEL Open Space unter Leitung von Prof. Thomas Hirth knapp 30 Gäste, darunter Vertreterinnen und Vertreter aus 12 Unternehmen und vier Instituten des KIT.
Europa, und damit auch Deutschland, können insbesondere in den Bereichen Produktionstechnologien, Fertigungsanlagen und Materialien einen bedeutenden Anteil an der Wertschöpfungskette für Halbleiterprodukte abdecken, betonte Prof. Mehdi Tahoori aus dem Institut für Technische Informatik (ITEC) des KIT. In anderen Bereichen hat Europa jedoch an Bedeutung verloren. Design und Entwicklung von Halbleiterprodukten und Algorithmen sowie die eigentliche Herstellung finden vielfach in Asien oder Nordamerika statt. Der Bau neuer Produktionsstätten in der EU wird inzwischen staatlich unterstützt. Mindestens genauso wichtig ist nach Ansicht von Prof. Mehdi Tahoori jedoch die Förderung von Kompetenzen im Bereich Chip-Entwicklung und -Design, um die immer spezifischeren Kundenbedarfe und Leistungsanforderungen erfüllen zu können.
Der Aufbau von Talenten, Kompetenzen und Nachwuchsförderung, wie er z.B. im Rahmen des virtuellen KIT Chipdesign House für Baden-Württemberg stattfinden wird, ist essentiell. Prof. Ahmet Ulusoy vom Institut für Hochfrequenztechnik und Elektronik (IHE) und Co-Founder von milli-IC sieht ebenfalls Marktpotenziale mit Chips „designed in Baden-Württemberg“ und zeigte Beispiele für die enge Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Ausgründungen in dem Bereich.
Die teilnehmenden Repräsentanten der Industrie lenkten beim Kaminabend den Blick auf zukünftige technische Herausforderungen der Branche. Dr. Markus Simon von Physik Instrumente (PI) sieht neben den steigenden Anforderungen an die Fertigungsgenauigkeit einen Trend zur immer stärkeren Integration von elektronischen und photonischen Technologien. Dr. Axel Kaschner aus dem Halbleiterbereich von Bosch nannte eine ganze Reihe an aktuellen Herausforderungen in der Branche: der Trend zu modularen Prozessoren bestehend aus sogenannten Chiplets im Automotive-Bereich, die weitere Miniaturisierung von mikroelektromechanischen Systemen (MEMS) und die Energieoptimierung bei Power Electronics. Dazu spielen Themen der Regulatorik auch für die Halbleiterbranche eine Rolle.

Das große Interesse an dem Thema „Design und Entwicklung von Halbleitern“ wurde durch das aktive Networking beim Kaminabend bestätigt. Unter den Gästen herrschte ein reger Austausch. (Foto: KIT)
Zum Abschluss der Impulsvorträge griff das Gründerteam Desoltik vom wbk Institut für Produktionstechnik noch eine andere Frage auf: Gibt es trotz rasanter Leistungsentwicklung im Chipbereich auch ein Second Life für ausgediente Halbleiter? Mit ihrer Ausgründung rund um Demontage und Leistungsdiagnostik für Gebraucht-Chips will das Team beweisen, dass eine Zweitnutzung sowohl aus Nachhaltigkeitsgründen als auch zur Abmilderung von Lieferengpässen sinnvoll ist.
Am Ende der Veranstaltung blieb Folgendes in den Köpfen der Gäste: Um die vielfältigen genannten Herausforderungen zu meistern und die gesamte Wertschöpfungskette zu erschließen, braucht Deutschland die nötigen Kompetenzen und fähige Fachkräfte im Bereich Design und Entwicklung von Halbleitern. Neue Qualifizierungsangebote, Studiengänge und Initiativen wie das virtuelle KIT Chipdesign House spielen dabei eine große Rolle. Die Diskussion beim Kaminabend stärkte das Bewusstsein für die nötigen Veränderungen, allerdings bleibt offen, inwieweit diese nationalen Aktivitäten ausreichen, um im globalen Vergleich eine Trendwende zu mehr Chips „made in BW“ zu erreichen.

Die Gäste hatten beim Kaminabend die Möglichkeit, sich intensiv über die neuen Qualifizierungsangebote, Studiengänge und Initiativen wie das virtuelle KIT Chipdesign House auszutauschen. (Foto: KIT)
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