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Grenzüberschreitende Kooperationen in der trinationalen Oberrheinregion

Seit Herbst 2019 treibt das KIT mit dem EU-Projekt “Knowledge Transfer Upper Rhine” (KTUR) die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft in der trinationalen Oberrheinregion voran. Wir wollten herausfinden, welche Herausforderungen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit derzeit bestehen und welche Chancen die Projektpartner in einer verstärkten trinationalen Zusammenarbeit im Wissens- und Technologietransfer (WTT) sehen. Zu diesem Zweck sprachen wir mit Dagmar Vössing, Leiterin des Technologietransfers am KIT, Alessandro Mazzetti, Manager für Innovationsallianzen an der Universität Basel, und Antoine Parmentier, Leiter der Außenbeziehungen bei SATT Conectus. Letztere ist für den Technologietransfer und die Verwaltung von Kooperationsverträgen von Universitäten und Forschungsinstituten in der Region Elsass zuständig.

Vössing, Mazzetti und Parmentier sind im Transfersektor am Oberrhein tätig. (Bild: KIT, Uni Basel, Satt Conectus)
V.l.n.r.: Dagmar Vössing, Leiterin des Technologietransfers am KIT, Alessandro Mazzetti, Manager für Innovationsallianzen an der Uni Basel, Antoine Parmentier, Leiter der Außenbeziehungen bei SATT Conectus. (Bild: KIT, Uni Basel, Satt Conectus)

Das KTUR-Projekt wurde initiiert, um den WTT in der Oberrheinregion zu stärken. Inwieweit gibt es an Ihrer Einrichtung bereits internationale Kooperationen im Bereich Forschung und Entwicklung?

Antoine Parmentier: Nur ein Bruchteil der Kooperationsverträge, die wir für Forschungseinrichtungen im Elsass verwalten, wird mit Organisationen außerhalb Frankreichs abgeschlossen. Deutschland und die Schweiz sind die wichtigsten externen Partner, auch wenn die Zahl der Kooperationsprojekte in Anbetracht der kulturellen und geografischen Nähe noch viel zu gering ist. Beim Technologietransfer, also dem Transfer von Forschungsergebnissen und wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Wirtschaft, gibt es deutlich mehr Projekte mit internationalen Unternehmen. Ein Grund dafür könnte sein, dass diese Transfers kaum öffentliche Subventionen erhalten, wodurch die Unterschiede zwischen nationalen und internationalen Unternehmen verschwinden. Einige Technologien sind zudem sehr spezifisch, so dass nur wenige potenzielle Lizenznehmer in Frage kommen. Dies hat zur Folge, dass sich die Suche nach einem Partner nicht auf nationale Unternehmen beschränken kann, sondern wir auch ins Ausland schauen müssen.

Dagmar Vössing: Was allgemein Forschungsprojekte am KIT betrifft, so gibt es eine große Anzahl von internationalen Kooperationen zwischen Forschungseinrichtungen in Deutschland und international. Schaut man sich aber den Technologietransfer in Form von Lizenzprojekten an, so werden etwa 80 bis 90 Prozent der Verträge mit deutschen Unternehmen geschlossen oder mit Unternehmen, die zumindest eine Niederlassung in Deutschland haben. Ein Grund dafür mag sein, dass einer der Schwerpunkte des KIT im Bereich der Mobilitäts- und Produktionstechnologien liegt. Ganz offensichtlich ist Baden-Württemberg - nicht nur in Deutschland, sondern auch innerhalb Europas - eine sehr starke Region für diese Forschungsfelder.

Kurzum: Es gibt nicht so viele internationale Lizenzprojekte, wie wir uns das wünschen würden. Mit dem KTUR-Projekt wollen wir verstehen, wie der Technologietransfer in Frankreich und in der Schweiz funktioniert. Ich hoffe natürlich, dass dies auch zu einer erhöhten Anzahl von Kooperationsprojekten und letztlich zu einer erhöhten Anzahl von abgeschlossenen Lizenzverträgen führen wird.

Alessandro Mazzetti: Wissenschaftler und Forscher der Universität Basel kooperieren mit zahlreichen Forschungseinrichtungen in der ganzen Welt. Das vergangene Jahr war sogar ein Rekordjahr für wissenschaftliche Kooperationsprojekte und Forschungsförderungen an der Universität Basel, mit einem Gesamtvolumen von über 187 Millionen Schweizer Franken. Die Uni Basel konzentriert sich auf Grundlagenforschung in den Bereichen Life Sciences, Nanowissenschaften, Nachhaltigkeit und Energie, aber auch digitale Geisteswissenschaften. Oftmals ist die Lücke zwischen unseren Forschungsergebnissen und den Bedürfnissen der Industrie tendenziell größer als vielleicht an Fachhochschulen oder Ingenieurschulen, da das Innovationspotenzial eher disruptiv als inkrementell ist. Nichtsdestotrotz finden bei uns Kooperationen mit Unternehmen statt und werden dies auch weiterhin. Wir haben hervorragende Technologien, die transferiert werden können. Erst vor ein paar Jahren hat der Präsident der Universität Basel eine Innovationsinitiative gestartet, eine Art Kulturwandel, welcher mehr Transferprojekte in Richtung Industrie und Unternehmergeist unterstützt. Das setzte einen starken Impuls für die Zusammenarbeit zwischen akademischer Welt und Unternehmen mit dem spezifischen Ziel, einen Einfluss auf die Gesellschaft zu bewirken. Dies ermöglichte es den Forschern auch, mit Unternehmen vertrauensvoll und offen zusammenzuarbeiten.

Was sind Ihrer Erfahrung nach Faktoren, die eine internationale Zusammenarbeit erschweren?

Antoine Parmentier: Generell muss man zwischen Kooperationsprojekten im Bereich der Forschung, die stark subventioniert werden, und Technologietransfer, der ohne Subventionen funktioniert, unterscheiden. Subventionen für Kooperationen gelten im Allgemeinen nicht für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, was einen großen Unterschied macht. In Frankreich zum Beispiel können Unternehmen, die in Frankreich Steuern zahlen und mit öffentlichen Forschungslabors zusammenarbeiten, einen Steuerrabatt von bis zu 60 Prozent erhalten. Ein deutsches Unternehmen ohne französische Tochtergesellschaft kommt dafür einfach nicht in Frage. Das ist nur ein Beispiel unter anderen, aber es ist ein sehr starkes Hindernis.

Ein weiteres Problem ist meiner Meinung nach eine Art nationale Präferenz, die auf persönlichen Netzwerken basiert. Man könnte sogar von einer Art Patriotismus sprechen. Das bedeutet, dass es eine natürliche Tendenz gibt, mit einer Institution aus dem gleichen Land bzw. aus dem gleichen Ökosystem zu arbeiten, wo es eine stärkere Vertrauensbasis gibt.

Dagmar Vössing: Bezogen auf Antoines ersten Aspekt muss ich sagen, dass das deutsche Modell völlig anders ist. Es basiert auf einem öffentlichen Fördersystem. Für Grundlagenforschung zwischen einem Unternehmen und einer Universität gibt es keine Möglichkeit der Steuererleichterung für das Unternehmen. Es kann aber öffentliche Mittel beantragen. Die Systeme sind also nicht so einfach kompatibel und es gibt einen anderen politischen Ansatz. Für ein ausländisches Unternehmen ist es schwierig, Fördermittel bei der deutschen Regierung zu beantragen. Und andersherum auch, Unternehmen erhalten in Frankreich keine Steuererleichterungen, wenn sie nicht in Frankreich ansässig sind.

Was den von Antoine angesprochenen Aspekt des Patriotismus angeht, so haben wir tatsächlich einen ähnlichen Eindruck. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es in der Tat schwierig ist, mit ausländischen Unternehmen zu arbeiten, weil sie allem, was aus dem Ausland kommt, skeptisch gegenüberstehen. Wir haben dieses Problem festgestellt, wenn wir Firmen aus Frankreich, Großbritannien oder aus den USA ansprechen. Es ist ein wichtiges Ziel von KTUR, diese Vertrauensbasis in der Region aufzubauen.

Alessandro Mazzetti: Für uns spielt es eine wichtige Rolle, dass die Schweiz tendenziell dazu neigt, eher fragmentiert zu sein. Jeder Kanton hat einen spezifischen Fokus, basierend auf dem lokalen industriellen Ökosystem und seinen Stärken. Es gibt einen internen Wettbewerb bei der Ansiedlung internationaler Unternehmen und innovativer Start-ups in verschiedenen Bereichen. Interessant ist, dass die Schweizer Regierung die akademische Zusammenarbeit in Innovationsprojekten mit Industriepartnern finanziert. Unternehmen, die einen Prozess, ihre Produkte oder ihre Dienstleistungen durch die gemeinsame Forschung mit Wissenschaftlern erneuern wollen, können eine finanzielle Risikominimierung durch spezifische Finanzierungsinstrumente erhalten. Diese decken die Kosten der akademischen Forschungspartner ab. Das Unternehmen muss einen bestimmten Beitrag in Form von Sachleistungen und teilweise durch Geldzahlungen leisten. Durch den Transfer von in der Wissenschaft entwickelten Technologien können so Innovationen gefördert werden. Der Zugang zu einem solchen Finanzierungsinstrument ist jedoch auf Schweizer Unternehmen beschränkt.

Antoine Parmentier: Ein Ansatz im KTUR-Projekt wäre es, dass die Institutionen am Oberrhein (d.h. die deutschen Bundesländer, die Schweizer Kantone und die französischen Regionen) einen speziellen Fonds einrichten, der zur Finanzierung von grenzüberschreitenden F&E-Projekten beiträgt. Solche Projekte könnten dann speziell ausgezeichnet werden, mit dem Ziel weitere Kooperationen voranzutreiben. Im Moment finanziert zum Beispiel die Region Grand Est in Frankreich vor allem Unternehmen, die mit anderen Institutionen aus der Region zusammenarbeiten. Das fördert natürlich eher lokale als grenzüberschreitende Kooperationen.

Das KTUR-Projekt zielt darauf ab, die Zusammenarbeit der deutschen, französischen und schweizerischen Akteure zu intensivieren. Welchen konkreten Nutzen solcher Kooperationen sehen Sie für Ihre Einrichtung?

Alessandro Mazzetti: Für uns ist das KTUR-Projekt ein sehr wichtiges und starkes Instrument, da es den Weg bereitet für Kooperationen mit Einrichtungen nördlich von uns, aus dem Oberrheintal. An der Universität Basel betreiben wir in erster Linie Grundlagenforschung im Bereich Life Science. Wir haben auch Kompetenzen im Bereich Digitales und Ingenieurwissenschaften, jedoch nur in sehr spezifischen Bereichen. Auf der anderen Seite der Grenze, in Deutschland und Frankreich, ist diese Expertise ziemlich stark. KTUR ermöglicht es uns, diese komplementären Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie ein breiteres Ökosystem außerhalb der Schweiz kennen zu lernen. Indem wir unsere Fähigkeiten bündeln, können wir die Anfragen der Industrie aus aller Welt viel besser erfüllen und gemeinsam eine stärkere Region bilden. Wenn beispielsweise ein Unternehmen aus den USA, aus Japan, aus Indien oder von irgendwo auf der Welt Expertise zu einem bestimmten Thema sucht, die wir selbst nur teilweise liefern können, wird es durch den engen Kontakt zu den KTUR Partnern viel einfacher sein, solche Kooperationsanfragen adäquat zu beantworten. Dank des KTUR Projekts kennen wir uns jetzt gegenseitig. Wir können viel schneller aufeinander zugehen als vorher und offen darüber diskutieren, wie wir in der Zusammenarbeit mit internationalen Unternehmen gemeinsam noch mehr erreichen können.

Dagmar Vössing: Für mich ist dieses Interview ein gutes Beispiel dafür, was KTUR für uns tun kann: Miteinander reden, voneinander lernen und die Systeme der anderen Länder kennenlernen. Das Projekt fördert zudem die Akzeptanz dafür, dass nicht alles so funktioniert wie in Deutschland, Frankreich oder in der Schweiz. Es ermöglicht mir, mit anderen Perspektiven zu arbeiten, was ich als sehr bereichernd empfinde. Gelegentlich sollte man einfach mal aus seiner Komfortzone heraustreten und nicht in seinen eigenen Routinen stecken bleiben.

Antoine Parmentier: Auch wenn Conectus ein privates Unternehmen ist, haben wir die Aufgabe, die Wettbewerbsfähigkeit französischer Unternehmen aus der Region Elsass zu fördern. KTUR hilft uns, diese Mission gemeinsam mit den Nachbarregionen zu erfüllen. Das Entstehen von Arbeitsplätzen durch Innovation dort wird sich auch positiv auf die Region Grand Est auswirken, vor allem auch, weil wir wissen, dass sich die Technologietransferstellen in Deutschland und der Schweiz gegenseitig unterstützen werden. Das ist für uns alle von Vorteil.

Wir sind sehr froh, dass das Projektteam derzeit auf einem so guten Weg ist. Man lernt sich besser kennen und die Zusammenarbeit wird einfacher. Der nächste Schritt, der ein viel größerer ist, besteht nun darin, unsere internen Kontakte nicht nur auf unsere Leitung, sondern vor allem auf die Unternehmen zu übertragen. Das würde viele Vorteile mit sich bringen. Ich hoffe, dass es uns gelingt, einen grenzüberschreitenden Raum zu schaffen, der größer ist als die Summe seiner Teile, in dem die Menschen von dem gesamten Innovationspotenzial der Region profitieren können - das wäre eine fantastische Leistung.

Das Interview führte Katharina Stöckle.

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