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Aerobuster – Viren in Klassenzimmern mit Luftsterilisation unschädlich machen

Mit einem kostengünstigen und vielseitig einsetzbaren Luftsterilisator wollen Prof. Horst Hahn und ein interdisziplinäres Forscherteam die Ausbreitung von Corona und anderen Viruserkrankungen eindämmen. Das entwickelte Luftreinigungssystem macht viren- und bakterienbeladene Aerosole in Innenräumen, wie Klassenzimmern, Praxen und Restaurants, inaktiv.

Schüler trägt im Klassenzimmer einen Mund-Nasen-Schutz. Mit Aerobuster könnte das Ansteckungsrisiko in Klassenzimmern deutlich reduziert werden. Die kontinuierliche Desinfektion der Umgebungsluft reduziert das Infektionsrisiko und trägt somit wesentlich zu einer Unterbrechung möglicher Infektionsketten bei. (Bild: Alexandra_Koch / pixabay.com)
Mit Aerobuster könnte das Ansteckungsrisiko u.a. in Klassenzimmern deutlich reduziert werden. Die kontinuierliche Desinfektion der Umgebungsluft reduziert das Infektionsrisiko und trägt somit wesentlich zu einer Unterbrechung möglicher Infektionsketten bei. (Bild: Alexandra_Koch / pixabay.com)
Dr. Thomas Blank, Prof. Horst Hahn, Dr. Jochen Kriegseis und Martin Limbach mit dem Aerobuster. Der kompakte Luftsterilisator hat die Größe einer Stehlampe und befreit Innenräume effektiv von Corona-Viren und anderen Krankheitserregern. (Bild: Markus Breig / KIT)

Über 20.000 Neuinfektionen pro Tag in Deutschland – Die neusten Corona-Infektionszahlen sorgen für starke Verunsicherung und Angst vor einer Ansteckung mit SARS-Cov2-Viren in der gesamten Bevölkerung. Begünstigt durch den Herbsteinbruch ist die zweite Welle der Pandemie in vollem Gang. Es fehlt bisher an effektiven und sicheren Maßnahmen zur Eindämmung, sodass die Vermeidungsstrategie und Kontaktbeschränkungen bisher das vorrangig eingesetzte Mittel sind. Unter den geltenden Restriktionen leidet vor allem das Schulwesen sowie Kultur-, Freizeit- und Gastronomiestätten. Um die Infektionsübertragung in Innenräumen effektiv zu verringern, haben Professor Horst Hahn vom Institut für Nanotechnologie (INT) und weitere findige Wissenschaftler vom KIT einen neuartigen Luftsterilisator erfunden. „Technische Lösungen zum Infektionsschutz leisten einen wichtigen Beitrag, damit einschneidende Einschränkungen des öffentlichen Lebens vermieden werden könnten“, ist Hahn überzeugt. Er hat gemeinsam mit Dr. Thomas Blank vom Institut für Prozessdatenverarbeitung und Elektronik (IPE) und Dr.-Ing. Jochen Kriegseis vom Institut für Strömungsmechanik (ISTM) den Aerobuster entwickelt.

 

Infektiöse Aerosole

Inzwischen ist belegt, dass die Infektion mit dem Coronavirus nicht nur über die sogenannte Tröpfchen- und Schmierinfektion stattfindet, sondern kontaminierte, mit Viren beladene Aerosole eine ebenso entscheidende Rolle bei der Übertragung des COVID-19-Erregers spielen. Die winzig kleinen Aerosolteilchen werden unbemerkt vom Menschen ausgeatmet oder beim Sprechen, Niesen oder Husten ausgestoßen. Sie sind aufgrund ihrer geringen Größe und Masse lufttragend und können je nach Umgebungsbedingungen bis zu mehreren Stunden schwebend in Räumen verbleiben. „Im Projekt wurde die Ausbreitung von menschlichen Aerosolen exemplarisch in einem Klassenzimmer simuliert. Die Berechnungen zeigen eindrücklich, wie hoch die Aerosolkonzentration und -ausbreitung im Raum bereits nach 15 Minuten ist“, unterstreicht Dr. Kriegseis. Die Simulationen wurden mithilfe des Instituts für Thermische Energietechnik und Sicherheit (ITES) und der Software Gasflow umgesetzt. Sie zeigen auch, welchen Effekt der Luftreiniger hätte: Aerobuster reduziert das Infektionsrisiko durch kontinuierliche Desinfektion/Sterilisation der Raumluft deutlich.

Aerobuster jagt gesundheitsgefährdende Aerosole

Im Unterschied zu existierenden Luftfiltern setzen die Aerobuster-Entwickler darauf, die Krankheitserreger nicht in mechanischen Filtern zu sammeln und so am weiterschweben zu hindern, sondern sie auszuschalten. „Gängige Filterlösungen stellen spätestens beim Austausch der Filterkomponenten ein Restrisiko für das Wartungspersonal dar. Wir behandeln die durchströmende Luft, die die potenziell gesundheitsgefährdenden Aerosole trägt, mit bewährten Mitteln zur Desinfektion und machen Viren und Bakterien unschädlich, so dass keine Infektiosität mehr besteht,“ macht Prof. Hahn deutlich.

Im Inneren des Aerobuster wird die aerosolhaltige Luft in zwei Schritten sterilisiert: Die eingesogene Luft wird mithilfe eines Heizelements getrocknet (orange) und ultraviolettem UV-C-Licht bestrahlt (pink). (Bild: Institut für Nanotechnologie / KIT)
Im Inneren des Aerobuster wird die aerosolhaltige Luft in zwei Schritten sterilisiert: Die eingesogene Luft wird mithilfe eines Heizelements getrocknet (orange) und ultraviolettem UV-C-Licht bestrahlt (pink). (Bild: Institut für Nanotechnologie / KIT)

Optisch erinnert der Prototyp des Aerobusters an einen Heizpilz. Doch es steckt mehr als heiße Luft im Inneren: In einem rohrförmigen Gehäuse wird aus Lüfter, speziellem Heizelement und UV-C-Quelle durch Reihenschaltung ein mobil einsetzbarer Vireninaktivator. Dabei wird die Umgebungsluft mithilfe des Lüfters angesaugt und durchläuft mit geringem Durchströmungswiderstand die zwei Desinfektionsschritte. Zuerst werden die Aerosole unter Hitzeeinwirkung getrocknet und anschließend die aerosolgetragenen Viren und Bakterien mit ultravioletter Strahlung inaktiviert. Dabei ist die gleichmäßige und vollständige Erwärmung der durchgesaugten Luft entscheidend für die Wirksamkeit der thermischen Inaktivierung der virenbeladenen Aerosole. Die optimale Ausgestaltung von Temperatur und UV-Licht wurde im Verlauf der Produktentwicklung experimentell untersucht. Die sterilisierte Luft, in der nachweislich bis zu 99,8 % der Viren inaktiv sind, entweicht wieder in die Raumluft und stellt demnach keine Gefahr mehr für die im Raum befindlichen Personen dar.

 

Innenräume virensicher machen

Vorteilhaft sei es, wenn mehrere Geräte strategisch günstig im Raum verteilt sind, um potenziell kontaminierte Aerosole auf kürzeste Distanz einzufangen. Ob als Wandelement, auf einem Ständer oder als Tischgerät – die Technologie ist sehr variabel umsetzbar. Hahn ergänzt: „Mit Simulationsrechnungen kann für alle Raumgeometrien mit unterschiedlichem Mobiliar die Verteilung der Aerosole berechnet werden, um daraus die optimale Anbringung und die Zahl der Aerobuster zu ermitteln, so dass ein möglichst effektiver Infektionsschutz der Menschen garantiert werden kann. In Kombination mit eingrenzenden Plexiglaswänden kann die Konzentration aktiver Viren in der Raumluft drastisch gesenkt werden. „Beim Einsatz des platzsparenden Aerobuster tritt keine hohe Lärmbelastung auf und die Abwärme kann unterstützend zur Heizung genutzt werden. Daher ist der Luftreiniger in beliebigen Innenräumen während des normalen Betriebs verwendbar, in denen sich größere Menschengruppen aufhalten“, so Dr. Blank.

Im Vergleich zu kommerziell erhältlichen Luftreinigern wäre der Aerobuster deutlich günstiger produzierbar und ist zudem sehr variabel. In der Größe einer Stehlampe könnte der kompakte Aerobuster in unzähligen Bereichen zum Infektionsschutz beitragen: von Klassenzimmern, Hörsälen, Seminar- und Büroräumen über Arztpraxen, Krankenhäuser sowie Pflege- und Altenheime bis hin zu kulturellen Treffpunkten und Freizeiteinrichtungen, wie etwa Fitnessstudios. Profitieren würden ebenso Restaurants und Hotels, die mit dem Luftreiniger für ihre Gäste eine sichere Umgebung schaffen könnten.

 

Von der Idee zum Produkt

Diese Anwendungsbreite zeigt, wie viel Potenzial eine kostengünstige, platzsparende und flexibel montierbare Lösung zum Infektionsschutz hat. Dabei liegen den Entwicklern des Aerobuster die Tausende Schulkinder und existenzbedrohte Gastronomen besonders am Herzen. „Unser Antrieb sind nicht die möglichen Umsätze durch den Verkauf des Gerätes, sondern wir wollen etwas zur gesellschaftlichen Aufgabe beitragen“, unterstreicht der Initiator Hahn. Die Zeit des Lockdowns bedeutete für die Erfinder nicht nur ein „Ausbremsen“, sondern die Situation entfachte Kreativität, ehrenamtliches Engagement und gemeinsame Schaffenskraft.

Aus der ersten Idee im Frühjahr 2020 wurden mithilfe der Expertise aller Mitwirkenden am KIT in kürzester Zeit mehrere Prototypen des Vireninaktivators aufgebaut und validiert. An der wissenschaftlichen Untersuchung und der technischen Entwicklung waren außerdem noch das Institut für Meteorologie und Klimaforschung (IMK) und das Institut für Funktionelle Grenzflächen (IFG) des KIT beteiligt. Prof. Hahn suchte zur Validierung seiner Idee auch den Kontakt zu bekannten/führenden Virologen und wurde in seinem Vorhaben bestätigt.

 

Entwicklungspartner gesucht

„Es besteht eine Dringlichkeit, etwas zum Schutz der Menschen zu tun. Mit dem richtigen Industriepartner und der Unterstützung von wichtigen Multiplikatoren auf politischer Ebene kann Aerobuster einen wichtigen Beitrag für die Bewältigung der Pandemie leisten. Ich würde mir wünschen, dass der neue Luftsterilisator bald in vielen Räumen eingesetzt wird, damit die Menschen wieder zusammenkommen können.“ Auch nach dem Ende der Corona-Pandemie wäre das Gerät aus dem KIT eine Lösung mit Zukunft: für Erkältungs- und Grippeviren sowie andere ansteckende virale Krankheitserreger.

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6 Kommentare zu diesem Artikel

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Karl Fiedler
21. März 2021 um 14:13

Nachtrag:
Gibt es bereits Kontakte zu potentiellen Produzenten? Vielleicht wäre hier ein Zulieferer der Autoindustrie oder ein derzeit darbender Messebauer gefragt. Freundliche Grüße
Karl Fiedler

Karl Fiedler
21. März 2021 um 14:06

Guten Tag, seit mehreren Monaten schaue ich interessehalber hier rein. Gibt es einen aktuellen Stand bezüglich der Wirksamkeit und der Realisierung? Sollte es diese kostengünstige Lösung endlich geben, wäre dies eine weitere Komponente / Ergänzung fürs Klassenzimmer und für viele kleinere Räumlichkeiten. Unser Dorfverein plant zum Beispiel ein kleines Café als Dorftreff. Auch hierfür wäre das Gerät in angemessener Anzahl eingesetzt eine weiterer Baustein eines Schutzkonzepts.

Gerhard Prlzysucha
17. März 2021 um 11:12

Hallo ,
nichts technisches.
Nur hoffe ich sehr, das der Aerobuster bald verfügbar ist.
Denn wenn wir die Wohnraum Luft sauber bekommen, sind wir in der Corona Bekämpfung einen großen
Schritt weiter.
Z.Zeit schreiten wir ja "freudigt erregt" der 3. Welle entgegen.
Gruß
G.P.

Gunter Tannhäuser
01. Januar 2021 um 10:28

Es fragt sich hier, mit welcher Strahungsintensität bei welchem Luftdurchsatz (>Einwirkungszeit) gerechnet - und wie das Ergebnis nachgewiesen wird.
Für zahlreiche ähnliche Geräte aus China und Indien (dort mit zusätzlichem Ozongenerator) gibt es offenbar keinen Nachweis der Wirksamkeit.

Gunter Tannhäuser
01. Januar 2021 um 10:27

Es fragt sich hier, mit welcher Strahungsintensität bei welchem Luftdurchsatz (>Einwirkungszeit) gerechnet - und wie das Ergebnis nachgewiesen wird.
Für zahlreiche ähnliche Geräte aus China und Indien (dort mit zusätzlichem Ozongenerator) gibt es offenbar keinen Nachweis der Wirksamkeit.

Jan A. Beckmann Dipl.-Ing.
14. Dezember 2020 um 20:08

Hallo,
danke für die Erhöhung der Wirksamkeit der Luftentkeimung.
Die Wirkungsweise ist ja nicht offiziell erforscht und daher wirkte sie ein wenig vernachlässigt (so erkläre ich es mir).
Hoffentlich wird wenigstens das Prinzip mit der Lufterwaermung eifrig kopiert. Ihre Gesinnung, zu helfen und den kommerziellen Gedanken unterzuordnen, erkenne ich wieder (von der Uni Karlsruhe).
Diese Technik wirkt auch gegen andere Erreger als Sars- CoV-2.

Mit freundlichem Gruß
Jan A.B.
Muenchen


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Bilder v.o.n.u: Alexandra_Koch / pixabay.com Markus Breig / KIT Institut für Nanotechnologie / KIT

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