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Technologieverwertung aus dem Homeoffice – Wie Corona den Technologietransfer am KIT beeinflusst

Der Covid-19-Virus hat weltweit Auswirkungen auf nahezu alle Lebensbereiche. Die Arbeit an der Kommerzialisierung von Technologien und Erfindungen, die stark von Zusammenarbeit, persönlichen Kontakten und Projektmeetings geprägt ist, bleibt davon nicht unberührt. Viele Unternehmen stehen vor schwierigen Zeiten und haben mit den wirtschaftlichen Folgen zu kämpfen. Der Erhalt der Unternehmen und die Sicherung der Arbeitsplätze hat in dieser Lage höchste Priorität. Da liegt die Frage nahe, ob wissenschaftliche Einrichtungen mit ihren innovativen Ansätzen positiven Mehrwehrt schaffen können und neue Projekte im Technologietransfer bei den Unternehmen im Fokus liegen.

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Technologietransfer am KIT beschreibt den Prozess von der Identifikation wirtschaftlich aussichtsreicher Verwertungspotenziale bis hin zur Initiierung und Begleitung der wirtschaftlichen Verwertung. Grundlage sind dabei neue Erfindungsmeldungen, bestehende Schutzrechte oder spezifisches Know-how der wissenschaftlichen Beschäftigten.
Technologietransfer am KIT beschreibt den Prozess von der Identifikation wirtschaftlich aussichtsreicher Verwertungspotenziale bis hin zur Initiierung und Begleitung der wirtschaftlichen Verwertung. Grundlage sind dabei neue Erfindungsmeldungen, bestehende Schutzrechte oder spezifisches Know-how der wissenschaftlichen Beschäftigten. (Bild: KIT)

Wir haben mit den Innovationsmanagern des KIT gesprochen, um mehr über die Arbeitssituation und die persönlichen Eindrücke zu erfahren. Dr. Rainer Körber ist einer der drei Innovationsmanager am KIT und schwerpunktmäßig für die Begleitung von nationalen und internationalen Technologietransfer-Projekten zuständig. Dr. Aude Pélisson-Schecker ist Innovationsmanagerin im Bereich Energie und hat langjährige Erfahrung in der Beratung und Unterstützung von Technologiekooperationen. Im Themenfeld Mobilität betreut Christopher Kling Erfinder und Industriepartner bei der Technologieverwertung.

Wie hat sich eure Arbeit als Innovationsmanager seit dem Lockdown im März verändert? Wie habt ihr euch der unvorhergesehenen Situation angepasst?

Aude Pélisson-Schecker: Mit dem Umzug ins Homeoffice und dem Ausbleiben von Vor-Ort-Terminen und Messen sind digitale Tools natürlich noch wichtiger geworden. Ich denke, dass es langfristig die Arbeitsprozesse verändern wird, mit mehr Videogesprächen und Online-Veranstaltungen sowie neuen digitalen Vernetzungsformaten. Für mich war es auch die richtige Zeit, um mich am papierlosen Büro zu versuchen. So bin ich zukünftig in der Lage, jederzeit mobil zu arbeiten. Als Mutter war ich in der Zeit der Schul- und Kitaschließungen zusätzlich gefordert. Ich war gezwungen, meine Arbeitszeit massiv runterzufahren beziehungsweise zeitlich anders zu legen, wodurch die Kontaktaufnahme, die Terminfindung und der kollegiale Austausch erheblich erschwert waren. Das heißt, meine Vertriebsaktivitäten waren deutlich reduziert. Jedoch habe ich versucht, die Zeit für konzeptionelle Aufgaben, Prozessoptimierung und Vorbereitungsarbeit sinnvoll zu nutzen.

Rückblick 2019: Aude Pélisson-Schecker (Mitte) nutzte technologieorientierte Veranstaltungen zum Netzwerken mit wissenschaftlichen Beschäftigen und Unternehmensvertretern, wie hier beim Innovationstag NEULAND am KIT. (Bild: Robert Fuge / KIT)

Christopher Kling: Ich bin seit diesem Jahr neu im Team. Für mich war es kein großes Problem, von analog auf digital umzustellen, da die technischen Mittel es möglich machten. Mit Laptop und Telkoequipment wurde mein Arbeitszimmer zuhause zum Büro auf Zeit. Es stellte sich schnell Bürofeeling ein, sodass mit der Zeit die Grenzen zwischen Job und Privatleben verschwammen. Da musste ich erst eine eigene Strategie für mich entwickeln, um die Work-Life-Balance zu wahren. Ich hatte im Sommer einige Messebesuche geplant, die nach und nach ausgefallen sind. Vereinzelt wurden digitale Ersatzangebote, wie Online-Kooperationsbörsen, von den Organisatoren geschaffen, mit denen ich jetzt erste Erfahrungen sammle.

Rainer Körber: Für mich hat sich das Arbeiten schon ein Stück weit verändert. Ich bin ein haptischer, analoger Typ. Gerade bei wichtigen Dokumenten, wie Entwürfen von Lizenzverträgen, liest und kommentiert es sich auf einem gedruckten Papier einfach besser. Darauf habe ich im Homeoffice verzichtet und musste mich umstellen. Die gewonnene Flexibilität durch die Heimarbeit habe ich aber zu schätzen gelernt. Insbesondere bei Projekten mit ausländischen Partnern konnte ich die Kommunikation zwischen unterschiedlichen Zeitzonen durch flexible Arbeitszeiten besser als zuvor organisieren.

Wie läuft die Projektbetreuung, aber auch die Kontaktaufnahme zu potenziellen Kooperationspartnern?

Aude Pélisson-Schecker: Man hat sich daran gewöhnt, systematisch mit internen und externen Kontakten über Videokonferenzen zu arbeiten. Zwar ist die Hemmschwelle vor allem für den Erstkontakt mit Unternehmen niedriger, aber das daraus resultierende Engagement ist sicherlich auch geringer. Unabhängig davon habe ich versucht, feinfühliger als sonst zu arbeiten, da es unmöglich ist a priori zu wissen, wer auf privater oder beruflicher Ebene von Corona besonders schwer betroffen ist. Das macht den „digitalen“ Kontakt noch sensibler.

Christopher Kling: Ja, die schnelle Initialisierung ist ein großer Vorteil. Die IT-Technik bietet Lösungen, damit die digitale berufliche Kommunikation funktioniert. Aber es ist auch wichtig, dass man sich wieder treffen kann. Innerhalb des KIT sind Meetings in kleineren Gruppen inzwischen wieder möglich. So läuft die Abstimmung mit Wissenschaftlern und Erfindern eigentlich sehr gut. Hier kommen uns zum Teil die Corona-bedingt geschlossenen Labore zugute, da bei ruhender Forschungsarbeit mehr Zeit für organisatorische Fragen bleibt – etwa um sich intensiver mit Verwertungsperspektiven auseinanderzusetzen.

Welche Auswirkungen hat die digitale Kommunikation auf die für Kooperationsverhandlungen so wichtige Beziehungsbildung?

Rainer Körber: Auch wenn die Kommunikation und Organisation durch digitale Tools aufrechterhalten bleibt, läuft die Beziehungsbildung über rein digitale Wege nicht so zufriedenstellend, wie ich es mir wünschen würde. Ein Großteil meiner Arbeit beziehungsweise der Erfolg der Technologieverwertung beruht auf Kontaktpflege und persönlichen Netzwerken. Hier habe ich eine wesentliche Veränderung zum analogen Netzwerken festgestellt. Man muss aber zwischen bestehenden Kontakten, die man bei der Produktentwicklung begleitet, und der Akquise neuer Industriepartner differenzieren. Anstatt einer Dienstreise zum Statusmeeting sind jetzt Online-Projektmeetings, an denen eine Agenda zielstrebig abgearbeitet werden kann, zweckmäßig und tatsächlich zeiteffizienter. Diese Form der Effizienz nützt allerdings weniger bei der Projektanbahnung und dem Aufbau zwischenmenschlicher Verbindungen. Im schlechtesten Fall lernt man sich wegen unzureichendem Datentransfer zunächst nur telefonisch kennen und hat von dem Gesprächspartner ‚nur‘ ein LinkedIn-Profil zur Verfügung. Da fehlt einem einfach das Gespür für die Menschen und das Miteinander. Jemanden für eine Idee zu gewinnen und Motivation zu entfachen, funktioniert digital nur sehr begrenzt. Nach so einem Telefonmeeting bleibt man oft mit der Frage zurück, ob man überhaupt ein Stück weitergekommen ist.

Ein beliebter Pflichttermin für Rainer Körber (Mitte) war die jährliche Hannover Messe, auf der er vor allem überregionale Kontakte knüpfte und sein Netzwerk erweitern konnte. (Bild: KIT)

Christopher Kling: Da kann ich nur zustimmen. Die Quantität der Kontakte steigt im Moment zwar, aber die nonverbale Kommunikation fehlt auf digitalem Weg oder ist zumindest nicht gleichwertig mit einem persönlichen Meeting. Neben diesem Manko hat man außerdem oft das Gefühl, dass die Unternehmen gerade an ganz anderen Fronten kämpfen. Einige Male gerieten die Kontaktaufnahmen ins Stocken, weil man Firmenvertreter nicht ohne Weiteres ans KIT einladen konnte, um ihnen die technischen Lösungen live vorzuführen. Ein riesiger Nachteil für die Initiierung neuer Kooperationen. Das läuft erst jetzt so langsam wieder an und da bin ich sehr froh darüber.

Wo seht ihr die größten Einschnitte bei der Zusammenarbeit mit der Industrie?

Rainer Körber: Projektanbahnung bedeutet für mich, auf einen Kooperationsvertrag und damit auf ein gemeinsames Verständnis hinzuarbeiten. Die nötigen Vertragsverhandlungen, in denen beide Parteien zunächst eigene Ziele und Konditionen abstecken, haben online einen ganz anderen Charakter und die Annäherung findet auf einer völlig anderen Ebene statt. Im Unterschied zur persönlichen Verhandlung können Interessenskonflikte online weniger gut aufgelöst werden. Und das Ziel, eine gute gemeinsame Basis in Form eines Konsenses zu finden, reduziert sich oft auf einen (mehr oder weniger guten) Kompromiss. Durch Corona wurden leider auch angelaufene Projekte auf unbestimmte Zeit auf Eis gelegt und Abschlüsse herausgezögert. Das bedeutet einen heftigen Einschnitt für unsere Arbeit.
Bei Technologietransfer-Projekten geht es meist um die Produktentwicklung von Hardware, die in den Labors und Werkstätten am KIT oder auch beim Industriepartner vonstattengeht. Die unfreiwillige Abwesenheit vom gewohnten Arbeitsplatz war oftmals für beide Seiten – Wissenschaft und Industrie – schwierig. Dieser Lockdown der Entwicklung hat zu erheblichem Zeitverzug bis hin zu Konflikten geführt, auf die auch ich in der Projektbegleitung reagieren musste. Während in Deutschland sozusagen noch ein gemeinsamer „common sence“ zu diesen Einschnitten existiert, trifft man international auch mal auf Unverständnis. Der zeitliche Versatz der Infektionsspitzen in den unterschiedlichen Ländern spielt da stark mit rein: Während in China zum Beispiel der vierwöchige Lockdown bereits im Februar war, ging es in Deutschland im März erst los und zieht sich bis heute.

Die Auswirkungen der Corona-Krise sind weitreichend und lassen sich zum jetzigen Zeitpunkt nur schwer vorhersehen. Wie schätzt ihr die Investitionsbereitschaft und damit die Chancen für erfolgreichen Technologietransfer in den nächsten Jahren ein?

Rainer Körber: Ein Blick in die Zukunft ist sehr schwierig. Je nachdem, wie sehr die Rezension global einschlägt, könnte es zu massiven Einbrüchen für die Industrie kommen. Der Tiefpunkt ist da noch nicht erreicht. Inwiefern Firmen dann die Chance ergreifen, durch Innovationen wieder vorne mit zu schwimmen und in neue Entwicklungen investieren, ist unsicher. Wir nutzen die Zeit und arbeiten intensiv daran, neue Kontakte zu generieren und Kooperationen anzustoßen. Aber es könnte auch einen Einbruch im Technologietransfer bedeuten. Die Menschen sind in der Krise aber durchaus kreativ. Es entstehen neue interessante Ideen, die erst durch Corona geboren wurden: Zum Beispiel die Desinfektion mit UV-Strahlen anstatt mit flüssigem Desinfektionsmittel. Aus jeder Krise entwickeln sich so neue Chancen.

Aude Pélisson-Schecker: Die Coronakrise stellt eine enorme finanzielle Herausforderung für Politik und Gesellschaft dar, um die Wirtschaft zu unterstützen. Zu Beginn der Pandemie war die Priorität sicherlich nicht die Innovation. Persönlich hoffe ich sehr, dass nun alle die Gelegenheit ergreifen werden, die Energiewende zu beschleunigen und die Klimakrise zu bekämpfen. Die Politik sollte sich noch stärker dafür einsetzen, die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen und die richtige Richtung zu weisen. Um möglichst schnell die sinnvollsten technischen Lösungen weiterzuentwickeln und in Produkte, Prozesse oder Dienstleistungen umzusetzen, arbeiten Unternehmen und das KIT bereits Hand in Hand. Mut haben und agieren. Wir helfen gerne dabei!

Das Interview führte Karola Janz

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Bilder v.o.n.u: KIT Robert Fuge / KIT KIT

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